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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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Die Möglichkeiten sind: Verfestigen, Schmelzen, Aufweichen, Wässern, Biegen, Brechen, Zersplittern, Einprägen, Formen, Pressen, Dehnen, Schmieden, Spalten, Kleben, Kneten, Verbrennen, Verdampfen (IV 8, 385 a 12–19). Für alle durch diese Mittel ausgelösten Vorgänge werden zahlreiche Beispiele angeführt, die bis in die letzten Einzelheiten gehen. So wird dargelegt, dass man Binsen und Weideruten biegen und wieder gerade strecken kann, was bei Ton und Stein nicht möglich ist, dass man Holz zerbrechen, aber nicht zertrümmern kann, dass man Schwämme und Wachs zusammendrücken kann, dass Leder, Sehnen und Teig dehnbare Stoffe sind, dass man Erz mit dem Hammer bearbeiten kann, dass Holz spaltbar ist, dass der Rubin feuerunempfindlich ist, dass Bernstein nicht schmelzbar ist usw.
    Zum Schluss (IV 12) aber wird alles im Sinne der aristotelischen Teleologie zusammengeführt. All diese materiellen Dinge haben ihr eigentliches Sein nur kraft ihrer Funktion. Ein toter Mensch ist nur dem Namen nach ein Mensch, ebenso eine tote Hand, aber eine auch in Stein gemeißelte Flöte, weil in all diesen Fällen eine Ausübung der spezifischen Funktion nicht möglich ist. Eine Säge aus Holz ist keine, sondern nur eine Nachbildung. Alle homogenen Stoffe («Homöomerien») in der Natur verdanken ihre Entstehungsmöglichkeiten Wärme und Kälte sowie den durch sie ausgelösten Bewegungsimpulsen, aber nicht die daraus aufgebauten Körper. Eine Säge, eine Trinkschale, eine Kiste entstehen nicht so wie Erz und Silber, sondern durch menschliche Kunstfertigkeit. So triumphiert zum Schluss der Geist über die Materie.
    R ESÜMEE UND A USBLICK
    Nimmt man die Schriften Über den Himmel und Meteorologie zusammen in der Blick, so kann man nur bewundernd staunen, wie Aristoteles mit den in der Physik entwickelten Begriffen zu einer vollkommenen Durchdringung der Welt in ihren physikalischen Abläufen gelangt ist, und zwar von den erhabensten Bewegungen der Gestirnsphäre bis zu den kleinsten Alltagserscheinungen. Gelungen ist dies durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. An erster Stelle steht die eigene scharfsinnige Beobachtung, sodann die Befragung von Augenzeugen über zurückliegende astronomische Ereignisse, ferner das ausgiebige Studium der vorliegenden, sich über einen Zeitraum von zweihundert Jahren erstreckenden Schriftquellen. Nicht nur für die frühere, sondern auch für die zeitgenössische Forschung zieht Aristoteles schriftliche Quellen heran, die ihm also auch in Form einer Bibliothek und vielleicht bis zu einen gewissen Grade als Privatbesitz zur Verfügung gestanden haben müssen. «Was im Phaidon (Platons) über die Flüsse und das Meer geschrieben steht, ist unmöglich», heißt es einmal bei der Behandlung der Flüsse (Meteor. II 2, 355 b 34). Nirgends wird erkennbar, ob Aristoteles in der Zeit seines Aufenthaltes in der Akademie bei Unklarheiten in platonischen Formulierungen, die er mehrfach beklagt hat, einfach zu Platon gegangen ist mit der Frage, wie eine Formulierung wohl gemeint sei. Und schließlich wird der Sinn der von Aristoteles verwendeten Grundbegriffe wie Bewegung, Qualitäten und Elemente in der lückenlosen Einordnung aller Phänomene in wenige Grundkategorien deutlich. Dass Aristoteles mit der Erklärung der Phänomene gerungen hat, spürt man allenthalben. Dies alles ereignet sich in der geistesgeschichtlich bedeutsamen Phase des Übergangs einer alle Gebiete umfassenden Philosophie zu einer Pluralität von Einzelwissenschaften. Für die frühen griechischen Denker gehörten die kosmologischen und meteorologischen Fragen zur Kernlehre ihrer Philosophie. Bei Platon sind die kosmologischen Themen untrennbar mit der philosophischen Ontologie verbunden. Für Aristoteles sind die Einzelphänomene noch in eine allgemeinen Philosophie von der Natur eingebunden, tendieren aber zu einer gewissen Selbständigkeit und einer Herausbildung von Spezialdisziplinen wie der Astronomie und der beschreibenden Erdkunde, als die sie in der Folgezeit in Erscheinung treten.
    Die weitere Rezeption insbesondere der Kosmologie steht unter dem Vorzeichen, dass das geozentrische Weltbild des Aristoteles, das durch eine lange Tradition vorgegeben war, bekanntlich falsch ist.
    Gern verweist man in diesem Zusammenhang auf die auch nicht zu bezweifelnde Tatsache, dass die Kirche noch lange an dem überkommenen Weltbild des Aristoteles festgehalten hatte und Galilei unter Androhung von Foltern der neuen, heliozentrischen Lehre

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