Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
gedeutet. Anlässlich der Beschreibung der Farben des Regenbogens, der sich in der Tat in einer den Spektralfarben ähnlichen Abfolge zeigt, erörtert Aristoteles bestimmte Grundsätze der Farbenlehre (III 4, 374 b 9), so zum Beispiel, dass Hell im Dunklen als Rot erscheint, Schwarz als Negationsfarbe aus dem Versagen unseres Gesichtssinnes resultiert, Rot sich je nach Sehvermögen in Grün oder Violett verwandeln kann, Rot neben Grün als orangefarben erscheint, der Eindruck von Farben in Geweben und Strickereien je nach Zusammenstellung variiert, zum Beispiel Purpurrot auf weißem oder schwarzem Wollstoff ganz verschieden wirkt, auch bei unterschiedlicher Beleuchtung, weshalb bei Lampenlicht arbeitende Weber sich schon des Öfteren in der Farbe geirrt haben.
Insgesamt, so dürfen wir auch ohne Erörterung aller Details festhalten, ist die Meteorologie in der Mischung von scharfsinnigster Beobachtung, Auseinandersetzung mit der Forschung in und außerhalb der Akademie und zu den Phänomenen nicht immer passenden Systemkonstanten eine hochinteressante, in den modernen Monographien über Aristoteles aus philosophischer Hand kaum beachtete Schrift.
C HEMIE
( METEOR . IV)
Das vierte Buch der Meteorologie war eine ursprünglich selbständige Abhandlung, die man seit der grundlegenden Untersuchung von Ingemar Düring (1944) den «chemischen Traktat» des Aristoteles nennt, insofern mit Recht, als es um die Umwandlung von Substanzen geht.[ 14 ]
Grundlage dieser Umwandlungen sind die vier Grundqualitäten Warm, Kalt, Trocken, Feucht, während die Elemente eine eher untergeordnete Rolle spielen. Thema dieses chemischen Traktates sind die sogenannten «Homoiomereme», also homogene Stoffe, die als chemische Verbindungen der vier Elemente auftreten. Homoiomereme sind demnach teils organische, teils anorganische Stoffe, die gleichsam in der Mitte stehen zwischen den reinen Elementen und Qualitäten einerseits und gestalteten, inhomogenen Einzelsubstanzen andererseits. Als Beispiele organischer Homoiomereme werden Knochen, Haare und Sehnen genannt (Meteor. IV, 12, 390 b 4), unter anorganischen Homoiomeremen kommen (im Text verstreut) vor: Milch, Soda, Säfte, Wein und alle Stoffe, die man kochen, sieden und garen kann, aber auch feste Stoffe wie Ton, Holz, Erz, die man durch Schmieden, Schmelzen, Spalten und Pressen bearbeiten kann.
Im Einzelnen wird die Veränderung oder Umwandlung dieser Stoffe durch Einwirkung der Grundqualitäten untersucht. Die Wirkung der Wärme ist ein Garmachen, gegliedert in Reifen, Sieden und Rösten. Aristoteles geht sehr ins Einzelne:
Die Arbeit mit den Küchengeräten ist beim Rösten schwieriger als beim Sieden; es ist nämlich nicht leicht, das Innere und das Äußere gleichmäßig zu erhitzen. Stets dörrt ja, was dem Feuer näher ist, schneller, also auch vollständiger (IV 3, 381 a 30–32).
Berücksichtigt werden auch der halbgare Zustand einerseits und das Überhitzen, das ‹Verbraten› andererseits. Auch hier wird die Analogie zu den biologischen Vorgängen betont, wie denn der Ausdruck für Kochen, «Pepsis»eine große Rolle in der hippokratischen Medizin spielt.
Es ist ja im organischen Körper die Verdauung der Nahrung einem Kochen gleich, da sie in einer feuchten und warmen Umgebung und unter dem Einfluss der Körperwärme stattfindet. Manche Verdauungsstörungen ähneln ja auch einem unvollständigen Garwerden (IV 381 b 7–9).
Das Gegenteil zu den Kochungsvorgängen ist die Verflüssigung des Trockenen und die Austrocknung des Feuchten mit der Folge von Fäulnis, Welken und Verwesen. Je nach den proportionalen Anteilen von Feuer, Wasser, Erde oder Luft ergeben sich durch Kochen, Sieden, Verdicken und Verdünnen usw. die unterschiedlichsten Produkte. Milch wird durch Verdünnung zu Molke, durch Verdickung zum Quark (IV 3, 381 a 8). Man kann unter Zusatz einer Feige geronnene Milch herstellen, Molke und Rahm trennen. Molke, einmal abgetrennt, kann nicht mehr verdicken, sondern verkocht wie Wasser (IV 7, 384 a 20–24). Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich bei dem für den Griechen in alter und neuer Zeit so wichtigen Olivenöl, weil es weder von Kälte noch von Wärme verfestigt werden kann, wohl aber unter Einfluss beider Qualitäten verdickt wird. Als Ursache dafür wird angeführt, dass das Olivenöl von Luft erfüllt sei, weshalb es auf dem Wasser schwimme (IV 7, 21–25). Schließlich präsentiert Aristoteles eine Liste der Mittel, homogene Stoffe zu verändern.
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