Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
kannte seinen antiken Vorläufer Aristarch, den er auch zitiert, ist aber ganz unabhängig von ihm zu seinen Erkenntnissen gelangt, die er immer wieder als unfertig ansah, weshalb er die Veröffentlichung seines Werkes lange hinausschob, bis es schließlich in seinem Todesjahr 1543 erschien. Das Werk ist dem Papst Paul III. gewidmet und eben in dieser Widmung steht der Hinweis auf Aristarch.[ 16 ] Ohne sein Wissen hat der Theologe Andreas Osiander ein Vorwort hinzugefügt, in dem er die Lehre des Kopernikus nur als Hypothese hingestellt hat, so wie es Plutarch mit Aristarch getan hat. Das war gut gemeint, aber so nicht gewollt. Osiander wollte Kopernikus vor Angriffen der Kirche – auch Luther (1483–1546) konnte sich der neuen Lehre nicht anschließen – schützen, die – auch dank der Widmung an den Papst – gar nicht kamen, zumal Kopernikus stets in innerer Nähe zur Kirche, zum Teil in deren Diensten, gelebt hat. Erst im Jahre 1616 gelangte im Zusammenhang mit den Vorgängen um Galilei das Werk des Kopernikus auf den Index librorum prohibitorum (der verbotenen Bücher), und zwar bis zum Jahre 1757.
Inzwischen hatte der aus dem Umkreis des schwäbischen Protestantismus stammende Johannes Kepler (1571–1630), der als Student im Tübinger Stift (1589) mit der Lehre des Kopernikus vertraut wurde, die neue Lehre durch die Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegungen weiter gefestigt. Möglichen Kontroversen ging er aus dem Wege. Als im Jahre 1598 in der Steiermark, wo Kepler als «Landschaftsmathematicus» angestellt war, die Religionsfreiheit aufgehoben wurde, ging er zu dem berühmten Physiker und Astronomen Tycho Brahe nach Prag als dessen Gehilfe.
So kam es zu einem offenen Bruch erst durch die Konfrontation Galileis mit der Kirche in der Auseinandersetzung mit dem alten, geozentrischen Weltbild, an der die Kirche unter Berufung auf Aristoteles festhielt, und der neuen, von Kopernikus begründeten Lehre. Auch Galileo Galilei (1564–1642), fast gleichaltrig mit Kepler, suchte den Konflikt mit der Kirche nicht. Aber anders als Kopernikus trat er durch eine größere Zahl von Schriften sogleich (ab 1606) an die Öffentlichkeit; die Gesamtausgabe seiner Werke umfasst 18 Bände. Er studierte die Schriften des Archimedes, entwickelte die berühmten Fallgesetze, konstruierte ein Fernrohr, gewann durch Beobachtung und Experiment eine Fülle neuer Einsichten, die er sogleich veröffentlichte, zum Teil in der Form des Dialoges, so im Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo (1632), der in populärer Darstellung eine dialogische Gegenüberstellung des neuen mit dem alten Weltbild enthält. In der literarischen Form des Dialoges konnte sich Galilei hinter den fiktiven Dialogpartnern verbergen und brauchte sich nicht im eigenen Namen zu exponieren. Dabei wird unter den drei Dialogpartnern der Vertreter der alten, aristotelisch-kopernikanischen Lehre, Simplicio, durchaus sympathisch charakterisiert. Er ist nicht starr, schwankt sogar, will die neue Lehre kennenlernen, bleibt aber mit abgewogenen Argumenten bei der alten Lehre. Der Name «Simplicio» verweist vielleicht auf den Platoniker Simplicius, der im 6. Jahrhundert n. Chr. einen (erhaltenen) Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles verfasst hat. Hinsichtlich der Form des allerdings sehr umfangreichen Dialoges (ca. 500 Seiten) knüpft Galilei erkennbar an Platon an. Wie im platonischen Sophistes beginnt der Dialog mit dem Verweis auf eine «gestrige Unterredung», nimmt aber dann seinen Fortgang in einer sich (fiktiv) über vier Tage erstreckenden Diskussion. Dabei wollte er die Kirche nicht provozieren, sondern auf dem Boden der Wissenschaft überzeugen, wie er auch voller Bewunderung für Aristoteles war und noch lange nach dem Prozess als 78-jähriger in einem Brief aus dem Jahre 1640 der Überzeugung Ausdruck verlieh, Aristoteles würde zu seinen Anhängern gehören, sollte er auf die Welt zurückkehren können – womit er wohl recht hatte.[ 17 ]
Galilei war zudem in das höfische Ambiente seiner Zeit eingebunden.[ 18 ] Er war ferner mit dem Kardinal Barberini, dem späteren Papst Urban VIII., befreundet. Als Galilei im Jahre 1624 in Rom war, gewährte ihm sein Freund, seit einem Jahr Papst, sechs Audienzen und überschüttete ihn mit Geschenken.
Aber der Vatikan sprach nicht mit einer Stimme. In der Reaktion auf die Reformation war «durch die Jesuiten eine viel strengere Auffassung vom Gehorsam in die Kirche eingedrungen»[ 19 ] und so kam es
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