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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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das?«
    »Vogelnester«, antwortete sie tonlos.
    Er warf ihr einen verständnislosen Seitenblick zu. »Wer verbrennt so was, mitten in der Nacht?«
    »Und warum hasst jemand Vögel so sehr, dass er ihre Nester aus den Bäumen holen lässt?« Florinda blieb ihr ein Rätsel. Von Anfang an war eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen gewesen.
    Die Flammen loderten haushoch, ein prasselndes Signalfeuer im dunklen Berghang. Es musste über viele Kilometer hinweg zu sehen sein.
    Sie hatten beide den gleichen Gedanken, blickten über die Olivenbäume nach Westen, hinaus in die mondbeschienene Landschaft. Erst in weiter Ferne glühten winzige Lichter von Gehöften und Dörfern.
    Vor der Durchfahrt zum Innenhof sagte Rosa: »Ich steige hier aus. Wartest du auf mich?«
    Er deutete auf den Revolver. »Was willst du damit?«
    Sie wog die Waffe unschlüssig in der Hand, kam sich unbeholfen vor und war drauf und dran, sie im Wagen zu lassen.Dann aber schob sie sie mit einem Ruck in ihren Hosenbund. Das kalte Metall drückte unangenehm gegen ihren Hüftknochen.
    »Bin gleich wieder da«, sagte sie und stieg aus. Funken stoben über den Vorplatz, es roch nach verbrannten Ästen und Blättern.
    »Rosa«, begann er und sie ahnte, was folgen würde. »Ich kann hier nicht bleiben. Du hast gesehen, was passiert. Du hast mich gesehen. Und bei dieser Jagd, da werden viele sein, die schlimmer sind als ich. Cesare ist nur einer von ihnen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss allein dorthin.«
    Sie atmete tief ein. Überlegte, wie sie ihn aufhalten könnte, und wusste zugleich, dass er das nicht zulassen würde. An seiner Stelle hätte sie womöglich das Gleiche getan.
    Der Motor heulte auf, als er unvermittelt Gas gab. Die Tür glitt unter Rosas Hand weg, Staub und Steinchen spritzten auf. Der Wagen schoss in einem Bogen nach vorn, vollendete die Runde um den brennenden Brunnen und raste Richtung Auffahrt.
    Sie sah ihm reglos hinterher. Viel zu schnell jagte der Wagen davon, den Weg hinab zur Straße.
    Noch einmal glühten die Bremslichter auf, fünfzig Meter entfernt – dann blieb der Wagen stehen. Ihr Körper spannte sich. Kurz dachte sie daran, ihm zu folgen. Aber Alessandro zog nur von innen die Beifahrertür zu und fuhr gleich darauf wieder an.
    Wenn der Tierpfleger weiß, wo die nächste Jagd stattfindet, dann erfahren wir es spätestens morgen früh , hatte er in Syrakus zu ihr gesagt. Aber jetzt fragte sie sich, ob der Kapitän der Jacht ihm nicht schon am Telefon alles verraten hatte. Alessandro musste es die ganze Zeit über gewusst haben und hatte trotzdem kein Wort gesagt. Um sie zu beschützen , verdammt!
    Hinter ihr stiegen die Funken in glühenden Schlieren zum Nachthimmel auf. »Du dämlicher Idiot«, flüsterte sie.
    Die Rücklichter verschwanden endgültig hinter den Olivenbäumen. Rosa drehte sich um, lief hastig durch das Hitzewabern zum Tor und betrat den dunklen Innenhof.
    s
    »Zoe? … Florinda?«
    Mit dem verkohlten Geruch des Feuers hatte sich schwermütige Stille in den Sälen und Korridoren des Palazzo eingenistet. Rosas Schritte hallten von den Wänden wider. Beim Betreten der Räume brauchte sie keinen der Kronleuchter einzuschalten; es war niemals ganz dunkel in diesem Gemäuer, immer brannten Stehlampen oder Wandleuchten in irgendwelchen Ecken.
    Niemand war hier. Die Salons und Wohnzimmer – verlassen. Der Schlaftrakt – menschenleer. Auch Florindas Arbeitszimmer war erfüllt von Schweigen und Schatten.
    Sie waren nicht aus Syrakus zurückgekehrt, weder Zoe noch Florinda. Vielleicht waren sie bereits auf dem Weg zum Tribunal. Oder war auch das eine Lüge gewesen, um sie zu täuschen?
    Sie kontrollierte die Bäder, die Bibliothek, sogar die Küche mit der offenen Feuerstelle. Ein Luftzug ließ die hängenden Töpfe und Pfannen klirren. Rosa erschrak, weniger über die Laute als über sich selbst: Ihre Hand zuckte so schnell zum Griff des Revolvers, als könnte sie tatsächlich damit umgehen.
    Zuletzt erwog sie, einen Blick in die verschlossenen Keller zu werfen. Aber noch während sie unschlüssig auf dem Flur im ersten Stock stand und ihre aufsteigende Panik niederkämpfte, hörte sie ein brummendes Geräusch. In ihrem Rücken.
    Der Vibrationsalarm eines Handys.
    »Sie?«
    Nur ein Umriss, aber sie erkannte ihn trotzdem. Erst als er in den Schein einer Tischleuchte trat, sah sie auch seine Augenklappe und den weißen Pferdeschwanz, der wie Spinnweben über seine linke Schulter hing.
    Salvatore Pantaleone,

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