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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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geträumt«, stellte er fest.
    Um das Thema zu wechseln, deutete sie zum Tor. »Lass uns hier verschwinden. Am besten mit zwei Wagen, dann musst du mich später nicht zurückbringen. Setz mich draußen vor den Garagen ab, dann fahr ich hinter dir her.«
    »Wohin?«
    Sie lächelte. »Ans Ende der Welt«, sagte sie. Und dachte: Was redest du da eigentlich?
    Aber bevor sie es sich anders überlegen konnte, hielt er ihr schon die Tür des Ferrari auf. Sie sank tief in die schwarzen Lederpolster.
    Vor den Garagen ließ er sie aussteigen. Einer der Jungen aus dem Dorf kam regelmäßig vorbei, um die sechs Sportwagen zu waschen und zu polieren, die dort aufgereiht standen. Keines der Fahrzeuge war brandneu, augenscheinlich hatte Florindas Interesse an ihrem kostspieligen Hobby in den letzten Jahren abgenommen. Rosa hatte wenig Ahnung von Autos, und so wählte sie einen schwarzen Maserati Quattroporte aus; neben Zoes Porsche war er das einzige Fahrzeug mit Automatikgetriebe. Der Garagenjunge sah ein wenig nervös aus, während erihr den Schlüssel aushändigte, und wurde kreidebleich, als der Wagen beim Anfahren aufheulte.
    Eine Dreiviertelstunde später verließen sie die A19 an der Abfahrt Agira und fuhren auf staubigen Nebenstraßen nach Norden. Diesmal prägte Rosa sich den Weg ein. Es ging durch menschenleere Hügel, ehe sie nach einer weiteren halben Stunde die gesperrte Auffahrt der stillgelegten Autobahn erreichten. Dort fuhren sie nebeneinander – sie hatten alle vier Spuren für sich allein – und Rosa glich das Tempo des Maserati dem von Alessandros Ferrari an.
    Die schroffe Schlucht mit den antiken Grabhöhlen, an der die Autobahn endete, kam eben in Sicht, als Alessandro langsamer wurde und mitten auf der Fahrbahn anhielt. Es mochte noch ein Kilometer bis zu der eingestürzten Brücke sein, aber er stellte den Motor ab und stieg aus. Rosa glitt ebenfalls vom Fahrersitz und sah durch das Hitzeflimmern über dem aufgeheizten Wagendach zu ihm hinüber.
    »Lass uns das letzte Stück zu Fuß gehen«, schlug er vor.
    Sie blickte sich um, entdeckte weit und breit keine Menschenseele und schob dennoch den Schlüssel ins Türschloss. Der Wagen war zu alt für eine Fernbedienung und einen Moment lang fragte sie sich, ob schon ihr Vater damit gefahren war. Die Vorstellung berührte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte.  
    Nach wenigen Schritten bückte sich Alessandro zu einem Löwenzahn hinunter, der sich durch den geborstenen Straßenbelag gekämpft hatte.
    »Nicht pflücken«, bat Rosa. »Er hat sich solche Mühe gegeben, ans Tageslicht durchzubrechen.«
    Alessandro schüttelte den Kopf, streckte vorsichtig die Finger aus und hob einen Käfer aus dem Schatten der Pflanze. Sanft setzte er ihn in die Mitte seiner Handfläche. Der Chitinpanzer schillerte in allen Farben des Regenbogens, als das Insekt mit den Fühlern seine Haut erforschte.
    »Sieh mal«, sagte er, »er hat kein bisschen Angst vor mir.«
    Sie blickte auf und begegnete Alessandros Blick.
    Er fragte: »Warum hast du welche?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du versuchst, irgendwas vor mir zu verbergen. Was genau« – er lächelte –, »war nur geraten.«
    »Vielleicht falsch geraten.«
    »Was dann?«
    »Das Ganze hier – dieser Ort, diese Insel, du, ich mit dir hier –, das macht mich nervös. Aber Angst ist das nicht.«
    Er setzte den Käfer behutsam zurück auf den Boden, sah ihm zu, wie er in den Schatten des einsamen Löwenzahns kroch, und ging wieder los.
    Im selben Moment schob sich eine einzelne Wolke vor die Sonne. Schlagartig verlor die ockerfarbene Hügellandschaft zu beiden Seiten der leeren Autobahn ihre Leuchtkraft. Durch den grauen Wolkenschatten schlenderten sie nebeneinander über den Asphalt und traten Steinchen beiseite. Winzige Eidechsen ergriffen vor ihnen die Flucht.
    »Ich hab die Unterlagen aus dem Atelier durchgesehen«, sagte er. »Die Aufzeichnungen meiner Mutter, die Dokumente und all das Zeug.«
    »Und?«
    »Es ist so, wie ich dachte. Sie wusste genau Bescheid darüber, dass Cesare meinen Vater hintergangen hat. Offenbar hat sie sogar versucht es meinem Vater zu erzählen, mehr als einmal.« In seine Stimme mischte sich ein bitterer Unterton. »Aber er hat nicht auf sie gehört. Er hat nie etwas auf Cesare kommenlassen und hat ihm und seinen Ratschlägen ein Leben lang vertraut. Meine Mutter war auch dagegen, mich nach Amerika ins Internat zu schicken. Aber Cesare hat meinem Vater eingeredet, dass es wichtig wäre

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