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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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für meine Zukunft als capo der Carnevares, eine gute Erziehung in den Staaten zu bekommen. Damit war ich aus dem Weg und Cesare musste sich nur noch um meine Mutter kümmern.«
    Sie beobachtete ihn im Gehen von der Seite, sein makelloses Profil, seinen geschmeidigen Gang. Das erinnerte sie an ihren Traum, und diesmal ließ sie es zu, ohne sich zu schämen.
    »Zuletzt muss sie sich fast völlig auf die Isola Luna zurückgezogen haben, sie hat immer mehr Zeit allein in der Villa verbracht. Meinem Vater war das offenbar gleichgültig. In ihren Aufzeichnungen schreibt sie, dass er ihr vorgeworfen habe, sie sei nicht mehr bei Verstand, wenn sie Cesare für eine Bedrohung halte. Dieser Idiot hat es nicht wahrhaben wollen! Hat einfach nicht sehen wollen, welches Spiel Cesare jahrelang getrieben hat.«
    »Und schließlich hat sie aufgegeben?«
    »Nein. Bis zuletzt hat sie versucht ihn zu überzeugen. Am Ende hatte sie genug Material beisammen, um Cesare endgültig auffliegen zu lassen. Beweise, die nicht mal mein Vater hätte ignorieren können! Kopien von geheimen Verträgen, sogar Protokolle von Gesprächen, die Cesare mit Politikern in Rom und Brüssel geführt hat … In den Aufzeichnungen kurz vor ihrem Tod schreibt sie, dass sie meinen Vater angerufen und gebeten habe, zu ihr auf die Insel zu kommen. In den letzten Wochen hat sie anscheinend Angst davor gehabt, die Isola Luna zu verlassen. Sie hat sich in der Villa verbarrikadiert – und ihm war das scheißegal!«
    Sie berührte mit den Fingerspitzen seine Hand. »Das tut mir leid.«
    »Aber sie schreibt auch, auf der allerletzten Seite, dass er eingewilligt habe, zu ihr zu kommen und sich die Sachen anzusehen. Gott, sie war so stolz darauf. Dass er ihr zuletzt doch noch hätte glauben müssen, dass nicht alles umsonst gewesen war …«
    »Aber statt deines Vaters ist Cesare zur Insel gefahren.«
    »Sie muss Verdacht geschöpft haben, hat die wichtigen Unterlagen in ihren Gemälden versteckt und ein paar harmlose Papiere im Safe platziert, damit Cesare sie dort findet. Aber davon schreibt sie nichts mehr. Ihre letzten Sätze klingen …« Er schluckte und rang kurz nach Worten. »Sie klingen fast glücklich, weißt du? Sie hat meinen Vater trotz allem immer noch gerngehabt und sie schreibt auch, dass sie mich … dass sie …« Er brach ab, blieb stehen und wandte für einen Moment das Gesicht ab. Rosa wartete. Es drängte sie, ihn zu umarmen und zu trösten. Aber dann sah sie den Streifen aus schwarzem Fell, der seinen Nacken hinaufkroch, und sie zögerte.
    Einen Augenblick später hatte er sich wieder im Griff, schenkte ihr ein flackerndes Lächeln und nahm ihre Hand, um weiterzugehen.
    Die Wolke glitt an der Sonne vorüber und erneut flutete Glut über das ausgedörrte Land und die verlassene Autobahn. In der Ferne zerfloss die Asphaltkante am Rand der Schlucht in einem silbrigen Flirren.
    »Ich kann nichts dagegen tun«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Wenn es losgeht, unter bestimmten Bedingungen …«
    Sie wusste, was er meinte. In diesem Augenblick war ihr alles ganz klar. Da war etwas in seiner Stimme. Und in der Art, wie sich seine Hand anfühlte. Die feinen Härchen, die sie mit einem Mal unter ihren Fingern spürte.
    Sie sah nicht hin.
    »Ist nicht schlimm«, sagte sie leise. »Ist überhaupt nicht schlimm.«
    Er klang jetzt schon anders, so als fiele es ihm schwer, die Worte zu formulieren. »Es ist nicht … wegen meiner Mutter«, brachte er mühsam hervor, »… oder Cesare.«
    Sie blickte starr geradeaus. Konnte sich nicht dazu bringen, ihn anzuschauen. Wusste selbst nicht genau, warum. Aber sie konnte es einfach nicht.
    Nicht dabei .
    »Nur wegen dir«, flüsterte er brüchig.
    Und warum geschieht es dann nicht mit mir?, dachte siewie betäubt. Mir geht es doch genauso, verdammt noch mal. Weshalb verändere ich mich nicht?
    Seine Hand glitt aus ihrer. Die feinen Borsten streiften ein letztes Mal ihre Finger. Ein zartes Streicheln, dann fort.
    Das Ende der Straße kam näher, formte sich aus dem flimmernden Glutlicht, dem verwaschenen Hintergrund der Schlucht.
    Er blieb ein Stück zurück. Stoffrascheln, als er Jeans und T-Shirt abstreifte, bevor die Veränderung die Nähte und Fasern sprengen konnte. Sie hörte es nur, sah noch immer nicht hin. Ging langsam weiter.
    Ein Scharren, dann die Laute von Pfoten, die vorwärts auf den Asphalt kippten. Leichtfüßige Schritte auf allen vieren, die wieder schneller wurden, aufholten und doch ein

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