Arkadien 03 - Arkadien fällt
Rückspiegel sah Rosa, wie sie sich vor der Feuerwand auf die Hinterbeine stellten und zu Menschen wurden.
Die drei auf der Rückbank redeten durcheinander, aber Rosa hörte nicht zu. Fahrtwind pfiff durch Löcher in den Scheiben. Stefania starrte neben ihr wortlos in die Dunkelheit.
Rosa verstand sie. Schweigen war heilsam. Schweigen war genau das Richtige.
Bald verstummten auch die anderen. Nur das Schnurren des Motors und das Säuseln des Windes erfüllte den Wagen.
Sie rasten Richtung Autobahn, tiefer hinein in die Nacht.
Gräberland
A m ersten Rastplatz stoppte Rosa den Wagen, um die Sachen überzuziehen, die Iole für sie mitgebracht hatte. Das Mädchen reichte ihr das Knäuel nach vorne. Als Rosa es entgegennahm, spürte sie, dass darin etwas verborgen war. Lorenzos Pistole.
Es war nicht schwer, die Waffe links neben ihrem Sitz verschwinden zu lassen. Stefania blickte stur durch die schmutzige Scheibe in die nächtliche Landschaft neben der Autobahn. Es war, als versuchte sie alles um sich herum aus ihrer Wahrnehmung auszusperren, vielleicht um nachzudenken, vielleicht in Apathie.
Rosa wollte gerade den Motor anlassen, als Stefania die Hand an ihren Türgriff legte. »Ich steige aus.« Sarcasmo erwachte im Fußraum zwischen ihren Beinen und gähnte.
»Hier?«, fragte Rosa zweifelnd. Der Rastplatz war nichts als eine asphaltierte Fläche mit ein paar überfüllten Mülltonnen. An der einen Seite führte die Autobahn entlang, auf der anderen lag ein versteppter Acker. Ihr Wagen war der einzige weit und breit. »Hier gibt’s nicht mal eine Notrufsäule.«
»Ich hab nicht vor, euch meine Kollegen auf den Hals zu hetzen.« Stefania schien beim Sprechen die Facetten ihres Spiegelbilds in der gesplitterten Seitenscheibe zu betrachten. »Ich hab ihnen von euch erzählt, von den Verwandlungen. Sie wollten, dass ich eine Pause mache, so haben sie das genannt. Und dass ich in Therapie gehe. Dieser Einsatz war so was wie meine letzte Chance, um zu beweisen, dass ich noch zurechnungsfähig bin. Und die hab ich nur bekommen, weil Antonio sich für mich eingesetzt hat.« Mit einem Ruck wandte sie den Kopf und sah Rosa in die Augen. Ihre waren geisterhaft weiß inmitten der schwarzroten Blutmaske. »Was soll ich ihnen diesmal sagen? Wieder die Wahrheit?«
»Du wirst dir was einfallen lassen müssen. Vor der Kirche liegt ein Haufen Toter, und die Hälfte davon ist nackt. Selbst wenn sie Lorenzo als bekifften Spinner abstempeln, wird irgendwer –«
»Ich bin bewusstlos geworden, gleich als es losging. Streifschuss, irgend so was. Verletzungen hab ich genug. Ihr habt mich ins Auto gezerrt und später hier rausgeworfen.«
»Na, vielen Dank«, bemerkte Iole.
Stefania ließ sich für einen Moment erschöpft in den Sitz sinken. »Ich sehe zu, dass es nicht nach einer Entführung klingt. Falls das überhaupt noch eine Rolle spielt.«
Rosa schüttelte den Kopf. »Kein Mensch wird erfahren, was heute Abend passiert ist. Die Clans sorgen schon dafür, dass es unter den Teppich gekehrt wird, bevor die Medien Wind davon bekommen. Wenn nicht sie, dann die Politiker in Rom, die den Hungrigen Mann aus dem Knast geholt haben. Jede Wette, dass die Ermittlungen spätestens morgen Mittag eingestellt werden.«
Auf der Rückbank pflichtete Cristina ihr bei. »Menschen, die sich in Tiere verwandeln, machen sich nicht gut in Presseerklärungen. Sie werden alles tun, damit kein Journalist davon erfährt.«
Rosa berührte Stefanias Hand. »Pass auf dich auf. Die sind nicht zimperlich, wenn sie glauben, jemand könnte irgendwem die falschen Dinge erzählen. Und mit die meine ich nicht die Cosa Nostra.«
Die Polizistin schwang beide Beine aus dem Wagen, blieb aber noch sitzen und atmete tief ein. »Hier draußen ist die Luft viel besser.«
Im Wagen stank es wie in einem Schlachthaus. Festas Blut trocknete längst auf den Sitzen und an ihren Körpern. Falls sie in eine Kontrolle gerieten, würde man sie für eine Bande von Serienmördern halten.
Ein neuer Wagen musste her. Und Wasser, um sich zu waschen. Saubere Kleidung sowieso. Aber Rosa dachte vor allem darüber nach, wie sie die anderen am schnellsten loswerden konnte.
Stefania blickte sich noch einmal zu ihr um. »Was auch immer du vorhast, Rosa, es kann nicht gut enden.«
»Ich tu mein Bestes.«
»Sicher«, sagte die Polizistin, »natürlich tust du das.« Damit stieg sie aus dem Wagen, zögerte noch einmal und schlug ohne ein weiteres Wort die Tür zu. Langsam ging sie
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