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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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davon, in Richtung einer einsamen Bank am Rand des Rastplatzes.
    Sarcasmo sprang auf den frei gewordenen Sitz und roch an einem Blutfleck.
    »Sie wird uns verraten«, sagte Raffaela.
    »Nein«, entgegnete Rosa. »Das glaub ich nicht.«
    Sie ließ den Motor an, blickte der einsamen Gestalt auf dem weiten Parkplatz hinterher, dann fuhr sie los.
    Iole sah mit verdrehtem Kopf zur Heckscheibe hinaus. Auch Rosa bemerkte etwas im Rückspiegel, ein fahles Aufblitzen in der Dunkelheit, gerade als sie den Wagen auf die Autobahn lenkte.
    »Hatte sie eine Waffe?«, flüsterte Iole.
    Rosa gab schweigend Gas und schaute nicht zurück.

    Eine Dreiviertelstunde später kündigte ein Schild die Ausfahrt Bagheria an.
    »Da hab ich Freunde«, sagte Raffaela. Es waren die ersten Worte, seit sie Stefania zurückgelassen hatten. »Ich kann sie anrufen. Sie helfen uns.«
    »Gut«, sagte Rosa. »Dann steigt ihr hier aus.«
    Iole schüttelte den Kopf. »Vergiss es.«
    Niemand sonst widersprach. Cristina blickte schweigend zum Fenster hinaus, weil sie längst akzeptiert hatte, dass Rosa keine von ihnen auf ihrem weiteren Weg dabeihaben wollte. Als Iole empört von einer zur anderen blickte, legte die Lehrerin ihr eine Hand auf den Oberschenkel.
    »Das geht nur Rosa etwas an.« Es klang aufrichtig, nicht nach einer Ausrede, um möglichst schnell das Weite zu suchen.
    Iole schüttelte heftig den Kopf. »Ich komme mit.«
    Nach ein paar Hundert Metern verließ Rosa die Autobahn.
    »Fahr nicht in die Stadt«, sagte Raffaela. »Bagheria ist voller Polizei. Lass uns hier irgendwo raus. Meine Freunde können uns abholen.«
    Rosa lenkte den BMW auf den Parkplatz eines McDonald’s und fuhr bis zum hinteren Rand, wo sich der Schein der Straßenlaternen in der Finsternis verlor. Jenseits einer niedrigen Mauer lag urbanes Brachland, zweihundert Meter dahinter erhoben sich hässliche Wohnblocks mit erleuchteten Fensterreihen.
    Iole wollte nicht aussteigen, aber Cristina und die Lehrerin schoben sie mit sanfter Gewalt ins Freie. Es half, dass Sarcasmo voller Enthusiasmus den Anfang gemacht hatte und sie mit hängender Zunge und fröhlichem Hecheln erwartete.
    Rosa blieb allein in dem zerschossenen, blutbesudelten Wagen zurück. Sie fühlte sich sehr allein, noch bevor Cristina die Tür hinter sich schloss.
    Iole riss sich aus dem Griff der beiden los und öffnete die Beifahrertür. Aber sie sprang nicht herein, wie Rosa befürchtet hatte, sondern beugte sich ins Innere und schenkte ihr einen langen, traurigen Blick.
    »Du kommst zurück, ja?«
    Rosa nickte mit einem Kloß im Hals.
    »Versprichst du’s?«
    Sie nickte noch einmal.
    »Du lügst«, sagte Iole leise.
    Sie versuchte es mit einem schwachen Lächeln. »Wünsch mir Glück.«
    »Euch beiden.« Iole schluckte, aber aus ihren glasigen Augen lösten sich keine Tränen. »Wir sehen uns.«
    Als sie von außen die Tür zuschlug, erschien ein weiterer Riss in dem durchlöcherten Glas.
    Rosa ließ die drei und den Hund zurück, fuhr nicht wieder auf die Autobahn, sondern ließ sich vom Navigationsgerät über eine Landstraße nach Süden leiten. Nach den ersten Kilometern legte sie die Pistole neben sich auf den Beifahrersitz.
    »Jetzt rechts abbiegen«, meldete sich die blecherne Stimme.
    Rosa war dankbar für jede Gesellschaft.

    Um kurz nach elf folgte sie engen Serpentinen, die von der Landstraße 121 hinauf in karges Bergland führten. Im Dorf Mezzojuso stellte sie den BMW auf einem unbeleuchteten Parkplatz ab, am Fuß einiger Palmen, deren Blätter gespenstisch in der Dunkelheit raschelten. Ohne große Mühe stahl sie einen uralten silbernen Honda mit unverschlossener Beifahrertür. Mit ihm legte sie die letzten paar Kilometer nach Campofelice di Fitalia zurück.
    Die Hügel erhoben sich als schwarze Umrisse vor einem klaren Sternenhimmel. Im Licht der Scheinwerfer erkannte sie, dass die Umgebung der Stadt nicht so trist war, wie sie gedacht hatte. Es gab ein paar Weinberge, grüne Ackerflächen und niedrigen Baumbestand. Die Einöde musste weiter westlich liegen, jene Gegend zwischen Campofelice und Corleone, die Alessandro den Friedhof der Mafia genannt hatte. Rosa hatte schon früher davon gehört, von einsamen, windumtosten Felsspitzen, kahlen Hängen und verborgenen Tälern, in denen der Clan der Corleonesen vor einigen Jahrzehnten Hunderte Opfer hatte verscharren lassen.
    Campofelice di Fitalia machte bei Nacht keinen allzu einladenden Eindruck. Sie bezweifelte, dass in dem Ort mehr als tausend

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