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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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eingeflogen, nachdem sie sich da draußen eine Landebahn gebaut hatten.«
    »Und heute?«
    »Wie ich’s sage. Alles verlassen. Paar Gebäude sind Anfang der Neunziger gesprengt worden, nachdem die Kacke drüben in Corleone so sehr ins Dampfen geriet, dass sie schließlich übergekocht ist. Luciano Liggio, Totò Riina, Bernardo Provenzano … all diese Ehrenmänner aus Corleone, na, du weißt schon. ’ne Zeit lang hat sich’s angefühlt, als wollte die Polizei die ganze Provinz umgraben, auf der Suche nach Leichen mit Genickschüssen und so. Aber die Totenruhe sollte keiner stören, wenn du mich fragst. Jedenfalls waren sie auch in der Basis, haben einen Teil davon in die Luft gejagt, und irgendwann war wieder Ruhe. Heute gibt’s da nicht mehr viel zu sehen.«
    »Waren Sie mal da?«
    »Nicht danach. Der Boden ist giftig, haben sie gesagt. Wegen all den Manövern und dem Zeug, das sie getestet haben. Schafe und Ziegen, die das verdammte Gras fressen, werden krank und sterben, heißt es. Die Milch kann man nicht mehr verkaufen, und wenn irgendwas davon nach draußen gerät, machen sie dir den ganzen Stall dicht. Vielleicht fahren ein paar von den Kindern hin und wieder da raus, zum Saufen und Auf-den-Putz-Hauen. Aber mittlerweile verschwinden die meisten ja schon von hier, sobald sie ’ne Straße von ihrem Laufstall unterscheiden können. Gibt kaum Arbeit hier, auch kein Kino mehr.«
    Eine Ziege sah Rosa gemächlich kauend in die Augen, so als wüsste sie genau, warum Rosa in Wahrheit all diese Fragen stellte.
    »Können Sie mir den Weg beschreiben?«, fragte sie den alten Mann.
    »Im Fernsehen bringen sie eh nur Mist.« Er erhob sich und bahnte sich einen Weg durch die Ziegenherde. Rasch schob sie die Pistole noch ein wenig tiefer in den Spalt neben ihrem Sitz, ließ die Hand aber nah am Griff liegen.
    »Hab dich schon mal wo gesehen«, sagte er, als er vor dem offenen Seitenfenster stehen blieb.
    Und ich dachte, Sie hassen Fernsehen , wollte sie sagen und den Motor anlassen.
    »Siehst aus wie diese Schauspielerin aus den Sechzigern«, stellt er fest.
    Ganz. Sicher. Nicht.
    »Ach was, nicht Schauspielerin. Fotomodell war die. Twiggy. Nicht viel dran war an der.«
    »In diese Richtung?«, fragte sie und gestikulierte geradeaus.
    »Es gibt nur zwei Richtungen«, sagte er. »Vorwärts oder rückwärts. Du, Signorina, solltest vorwärtsfahren, dem Weg hier nach. Acht, neun, zehn Kilometer. Dann siehst du ein Stück vom alten Zaun. Ab da ist das Land vergiftet, haben die gesagt. Nicht gut für die Milch, haben die gesagt.«
    »Den Feldweg entlang?«
    Er nickte. »Acht, neun, zehn Kilometer«, wiederholte er noch einmal, so als gingen ihm allmählich die Worte aus.
    Sie drehte den Zündschlüssel. Die Ziegen wanderten in einer Wellenbewegung auseinander.
    Er ließ Rosa nicht aus den Augen. »Hattest du nicht ’ne Klinik gesucht?«
    Sie presste die Lippen aufeinander und wartete ungeduldig darauf, dass die letzten Tiere vor ihrem Kühler verschwanden.
    »Wegen dem Blut?«, fragte er und streckte eine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren. Sie musste etwas übersehen haben, vielleicht im Haaransatz.
    Eine Ziege stieß ein hohes, meckerndes Schreien aus. Der Weg vor dem Honda war frei. Rosa gab Gas.
    Sie erreichte den Feldweg und steuerte auf die leeren Hügel zu, die schroffen Felsen und verlassenen Täler. Sie fuhr hinaus ins Gräberland der Mafia.

Die Basis
    N ach zehn Kilometern über kahle Bergkuppen und durch ein Tal, in dem vor kurzem ein Steppenbrand getobt haben musste, führte der Feldweg auf eine Hochebene, eingefasst von Hügeln und bizarren Felsgebilden wie auf einem anderen Planeten. Verbeulte Warnschilder – Achtung! Militärisches Übungsgelände!  – hingen an schiefen Pfosten. Einige waren von Schrotschüssen durchlöchert.
    Weit voraus, im Zentrum der Hochebene, standen ein paar niedrige Baracken um eine zerklüftete Felskuppe gruppiert. Rundum gab es eine Handvoll Überreste größerer Bauten, verzogene Stahlkäfige, Mauertrümmer und Betonwände. Augenscheinlich waren dies die Ruinen der gesprengten Anlagen, von denen der Hirte gesprochen hatte. Die Vorstellung, dass die Corleonesen das Gelände als Lager oder Drogenküche benutzt hatten, lag nahe. Doch Rosa glaubte es besser zu wissen. Die aufsehenerregende Razzia, ein paar Sprengungen und gezielt gestreute Gerüchte über verseuchten Boden, um die Hirten fernzuhalten – all das passte zu gut in das Bild, das sie sich von TABULA und deren

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