Arkadien 03 - Arkadien fällt
dem Rücken zu den beiden Männern, ihrerseits capi zweier Clans aus Trapani. Es gab keine Handlanger an diesem Ort, jeder, der zur Erneuerung des Konkordats eingeladen worden war, hatte einen führenden Posten inne oder gehörte zur engsten Verwandtschaft eines Familienoberhaupts.
Alessandro schien jetzt absichtlich am Hungrigen Mann vorbeizublicken, so als stünde er gleichwertig vor den anderen, nicht wie jemand, der eine Erlaubnis zum Reden brauchte. »Wir alle haben dafür gekämpft, die Werte der Cosa Nostra, die Ehre unserer einen großen Familie zu erhalten«, rief er. »Sie ist es, die unser Leben bestimmt, unseren Alltag, all das, was uns etwas bedeutet – und nicht eine Handvoll Legenden aus einer Zeit, über die wir nichts wissen. Die Cosa Nostra hat sich immer dadurch ausgezeichnet, nach außen hin den Schein zu wahren. Das hat unsere Familien stark gemacht, darum beneiden uns die Organisationen auf der ganzen Welt. Wollt ihr das alles aufs Spiel setzen – und wofür? Was wollt ihr in Zukunft sein? Männer und Frauen mit gewaltigem Vermögen und der Aussicht, euren Reichtum weiter zu vergrößern? Oder ein Rudel wilder Tiere, das früher oder später gejagt und zur Strecke gebracht werden wird? Unsere Vorfahren sind auf Scheiterhaufen verbrannt, an Kreuze genagelt und in den Kerkern der Inquisition zerfleischt worden. Ist es das, was ihr wollt? Sizilien, Italien, Europa – das sind nicht mehr die Länder irgendwelcher Barbaren wie zu den Zeiten des wahren Lykaon.« Erst dabei sah er den Hungrigen Mann wieder an und setzte hinzu: »Des einzigen Lykaon!«
An die Familienoberhäupter gewandt fuhr er fort: »Damals war es für die Arkadier leicht, sich hinter dem Aberglauben der Leute zu verstecken. Die Menschen haben Wesen wie uns gefürchtet und ihnen hat der Mut gefehlt, mit aller Macht zurückzuschlagen. Aber heute? Wie lange wird es dauern, ehe man versucht, uns auszurotten, wenn wir uns wieder aufführen wie Bestien? Ihr alle wisst, mit welcher Härte die Justiz gegen unsere Geschäfte vorgeht. Wir haben überlebt, weil wir einigen unserer Gegner etwas zu bieten hatten. Bestechung und Verschwörung haben die Cosa Nostra vor dem Untergang bewahrt. Ihr alle habt Regierungsmitglieder geschmiert, habt Richter und Staatsanwälte in eure Villen eingeladen, um sie auf eure Seite zu ziehen. Aber Geschäfte, auch illegale, sind etwas anderes als Massenmord. Ihr wollt wirklich wieder als Raubtiere jagen und Menschen reißen? Wie wollt ihr das auf Dauer geheim halten? Und womit wollt ihr unsere Feinde zu Freunden machen? Sie mögen sich von euch kaufen lassen, solange es um Immobilien geht oder Waffen oder Drogen. Aber sie werden euch zu Grunde richten, wenn ihr vor den Schulen ihrer Kinder jagt und Blut auf ihren Straßen vergießt. Womit wollt ihr sie dann besänftigen? Mit einem Stück rohem Fleisch auf ihrem Teller?«
Unruhe erwachte in den Reihen der versammelten Arkadier, aber noch wurde kein Murren daraus, schon gar keine Auflehnung.
Der alte Arachnid, an dessen Seite Danai noch immer sehr verloren und in sich zusammengesunken stand, schüttelte langsam den Kopf. »Schöne Worte, mein Junge. Aber eben nur das: nichts als Worte. Arkadien ist nicht untergegangen, weil unsere Vorfahren sich vor Bürokraten gefürchtet haben. Arkadien ging zu Grunde am Größenwahn von Panthera und Lamien und – weil sie versucht haben, sich gegenseitig zu übertreffen.«
Dafür erntete er Einspruch aus den Lagern der Carnevares und Alcantaras, von all jenen, die Rosa und Alessandro ans Messer geliefert hatten.
Der Arachnid winkte ab. »Zuvor jedoch haben sie Arkadien den Frieden gebracht und deshalb sind wir hier. Um dieses Bündnis zu erneuern und zugleich dem Hungrigen Mann unseren Respekt zu zollen. Das neue Arkadien wird das Beste aus beiden Epochen verbinden, die Entschlossenheit Lykaons und die Macht der vereinten Dynastien. Darum sage ich: Das Opfer soll vollstreckt werden. Wenn die Cosa Nostra überleben will, dann muss sie aus der Kraft Arkadiens schöpfen. Der Kreis wird sich schließen für einen Neubeginn.«
»Und du wirfst mir leere Worte vor?« Alessandro funkelte ihn streitlustig an. Die Nachwirkungen des Betäubungsmittels hatte er endgültig überwunden. »Habt ihr denn überhaupt nichts verstanden?«
Sie anzugreifen war ein Fehler. Rosa wusste das und er ganz sicher auch. Das Lächeln des Hungrigen Mannes verriet, dass er auf diesen Moment gewartet hatte. Er war Alessandro nie begegnet, aber
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