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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Glimmen. Der Mond stand am Himmel und leuchtete hell. In seinem Schein zog der Hungrige Mann eine silberne Klinge unter dem Mantel hervor und hob sie in die Höhe. Eher ein großes Skalpell als ein Opferdolch.
    Ein fernes Brummen erklang, als wäre in den Tiefen des Staudamms ein Generator erwacht.
    Der Hungrige Mann gab den Bewachern ein Zeichen und ließ zwei von ihnen vortreten. Rosa erwartete einen weiteren Einstich, aber diesmal blieb er aus. Stattdessen spürte sie in ihrem Rücken die Mündung einer Pistole.
    »Falls Sie glauben –«, begann sie, aber der Hungrige Mann bedeutete ihr zu schweigen. Sie gehorchte nur, weil sein Gesichtsausdruck sich änderte. Er wirkte beunruhigt.
    Alessandro atmete tief ein und spannte seinen Oberkörper. Von den Arkadiern jenseits der Lichter drang ein Raunen herüber, ein Flüstern und Wispern, das der Hungrige Mann mit einer zornigen Geste zum Schweigen brachte. Alle schauten jetzt auf etwas, das sich hinter Rosa befand.
    Langsam wandte sie den Kopf, und als niemand sie aufhielt, drehte sie sich um und folgte den Blicken der anderen. Für einen Moment zog sich die Pistolenmündung zurück, stieß aber gleich wieder vor, nun in ihre Seite.
    Etwas ging am Ende des Staudamms vor sich, auf Höhe der Straßensperre. Stimmenfetzen wehten herüber, das Dröhnen eines Motors.
    Unter den versammelten Arkadiern wurden Fragen laut, ein kollektives Was-ist-da-los, so leise gemurmelt, dass nicht die Worte zu verstehen waren, nur ihr Tonfall. Sorge klang aus diesem Wispern, bei einigen auch erwachender Jagdinstinkt. Ein scharfer Raubtiergeruch wehte über die Fahrbahn.
    Noch immer konnte Rosa nichts Genaues erkennen, auch bedingt durch die blendend hellen Lampen und die Arkadier, die einen Teil ihrer Sicht versperrten.
    Ein Handy klingelte. Dann ein zweites.
    Zugleich ertönte wieder das Brummen, und diesmal blieb es als beständiger Unterton im Hintergrund.
    Das Klingeln brach ab, als die Anrufe angenommen wurden. Rosa hörte aufgebrachtes Flüstern, das im nächsten Moment von anschwellendem Motorengeräusch übertönt wurde.
    »Sie haben die Sperren aufgegeben«, rief jemand außerhalb des Lichterkreises.
    Der Hungrige Mann bewegte sich auf den Rand des Halbrunds zu. »Aufgegeben?«
    Rosas Bewacher drückte die Pistole noch fester in die weiche Stelle unterhalb ihrer Rippen. Aber sie stand derart unter Spannung, dass sie nicht mal einen Messerstich als Schmerz wahrgenommen hätte.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte der Hungrige Mann mit einer Ruhe, die gefährlicher klang als jeder Tobsuchtsanfall. »Was ist mit den Posten?«
    »Sie haben die Sperren verlassen«, erwiderte jemand. »Auf beiden Seiten des Staudamms.«
    Rosa schaute sich zu Alessandro um und flüsterte: »Wenn das die Polizei wäre, hätten wir Schüsse gehört, oder?«
    Stirnrunzelnd nickte er. Der Mann, der ihn mit seiner Waffe bedrohte, gab ihm einen Stoß. Alessandro machte einen Schritt nach vorn, näher an Rosa heran.
    »Sie sagen, da sind Leute von den Medien aufgetaucht«, sagte einer der Arkadier, die telefoniert hatten.
    »Unmöglich«, rief ein anderer. »Niemand hat gewusst –«
    »Das bedeutet Verrat«, sagte jemand. »Aber wer von uns –«
    Und dann redeten sie alle durcheinander, bis der Hungrige Mann sie in scharfem Ton zum Verstummen brachte. »Verrat ist immer eine Möglichkeit«, rief er. »Aber es gibt ein Mittel dagegen. Was sind schon ein paar Journalisten? Sagt den Wachen, sie sollen sie töten.«
    »So einfach ist das nicht«, entgegnete der alte Arachnid, der als Erster den Mut zum Widerspruch fand. »In den letzten Jahrzehnten hat sich vieles verändert, das haben wir alle lernen müssen. Der Tod von Journalisten würde mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als ein ermordeter Richter. Die Vernetzung der Medien –«
    »Ich will diesen Unsinn nicht hören«, unterbrach ihn der Hungrige Mann. »Erschießt sie einfach.«
    Rosa beobachtete aus dem Augenwinkel ihren Bewacher. Sein Blick wechselte vom Hungrigen Mann zu dem einsamen Fahrzeug, das sich ihnen über den Staudamm näherte. Es war ein weißer Kleinwagen, der auf der leeren, langen Straße sehr verloren wirkte. Ein Sondereinsatzkommando der Anti-Mafia sah anders aus.
    Auch das Brummen kam näher, von Norden her durchs Tal. Ein Helikopter, der unbeleuchtet durch die Dunkelheit flog.
    Jemand kreischte schrill auf. Rosa riss den Kopf herum und sah, wie sich eine Frau verwandelte. Ihr Kleid und der Mantel zerrissen zu Streifen aus

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