Arkadien 03 - Arkadien fällt
ansteuern.
Noch ehe die Hybride den Wagen zum Stehen brachte, wusste Rosa, wo sie sich befanden. Mirella stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Plane im Heck. Obwohl die Sonne gerade unterging, wurde Rosa nach den Stunden im Halbdunkeln von der Helligkeit geblendet. Hinter Mirella standen mehrere Gestalten.
Danais Reifrock raschelte, als sie sich von der Rückbank ins Freie schob. Vor ein paar Minuten hatte sie ihnen weitere Injektionen in die Unterschenkel gegeben. Das Jucken wurde allmählich zu einem schmerzhaften Stechen und Brennen.
»Holt sie da raus«, sagte jemand.
Männer in teuren Anzügen stiegen auf die Ladefläche und luden Rosa und Alessandro aus wie verschnürte Pakete. Sie wurden auf warmen Asphalt gelegt, auf den vor nicht allzu langer Zeit die Sonne geschienen hatte. Jetzt stand sie als feurige Halbkugel über einer Anhöhe und tauchte den Himmel in Schlieren aus Violett und Rot.
Rechts und links der zweispurigen Straße verlief eine Brüstung. Dahinter öffnete sich der Abgrund, erst in weiter Ferne waren wieder Berge zu sehen. Der Wind fauchte scharf durch die Gitterstreben und presste die Anzüge eng an die Körper der Männer.
Der Staudamm von Giuliana.
Die Straße führte über einen Grat aus grauem Beton, mehr als hundertfünfzig Meter über dem Talgrund. Der Wagen hatte in der Mitte der Staumauer angehalten. Bis zu den Enden waren es in beiden Richtungen mindestens dreihundert Meter, viel zu weit zum Davonlaufen – selbst wenn ihre Beine nicht stundenlang von engen Fesseln abgeschnürt worden wären. Wahrscheinlich würden sie sich kaum aus eigener Kraft auf den Füßen halten können.
Eigentlich hatte Rosa angenommen, dass man sie direkt in die Ruinen des Dorfes bringen würde. Das aufgestaute Wasser des Sees war abgelassen worden, hatte Alessandro gesagt. Falls das Grabmal des Lykaon sich wirklich hier befand, so wie das aus Moris Unterlagen hervorzugehen schien, dann musste es jetzt freigelegt sein. Sie erwartete etwas wie eine archaische Gruft, Säulenkammern mit verstaubten Wandreliefs. Der Legende nach war das Grab ein Bauwerk von atemberaubender Größe gewesen und hatte die Arbeitskraft eines ganzen Volkes über Jahrzehnte hinweg in Anspruch genommen. Was immer davon noch übrig war, nahm es in Rosas Vorstellung mit den Pharaonengräbern im Tal der Könige auf, mit den Dschungelpyramiden der Mayas.
Alessandro war anzusehen, dass er mit den Nachwirkungen seiner Bewusstlosigkeit zu kämpfen hatte. Ihr selbst ging es ähnlich, auch ohne das Betäubungsmittel im Blut. Vielleicht lag es an den Mengen des Hybridenserums, die Danai ihnen unterwegs gespritzt hatte.
Die Männer hatten sie auf die Seite gelegt. Als sie erneut versuchte, durch Bewegungen die engen Fesseln zu lockern, trat Danai in ihr Sichtfeld.
»Lass das.« Thanassis’ Tochter wirkte nervös.
»Du zitterst ja«, sagte Rosa. »Ziemlich erbärmlicher Auftritt für eine Mörderin deines Kalibers.«
Danai erwiderte nichts, stattdessen landete Mirellas Fuß in Rosas Seite. Der Tritt nahm ihr für Augenblicke den Atem, sie schnappte nach Luft wie eine Ertrinkende.
Ein wölfisches Knurren erklang, dann leise Worte in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Weg von ihr, Schlange!«
»Tu, was er sagt, Mirella«, verlangte Danai.
Sogar zusammengekrümmt und mit Schmerzen im ganzen Oberkörper verspürte Rosa Genugtuung, als Mirella eilig ein paar Schritte zurück machte.
Der Mann, der gesprochen hatte, befand sich hinter ihr, irgendwo beim Wagen, und jetzt hörte sie seine Schritte auf der Straße. Aber sie lag mit dem Gesicht zu Alessandro und hätte sich niemals freiwillig von ihm abgewandt.
Seine Augen verengten sich, als er über sie hinweg zu dem Neuankömmling aufsah. In seinem Blick loderte Hass.
»Das Serum?«, fragte die Stimme in ihrem Rücken.
Danai, deren weiter Rock vom Wind an ihren verwinkelten Beinkranz gepresst wurde, deutete eine Verbeugung an. »Ich hab es ihnen alle fünfzehn Minuten gespritzt, zuletzt gerade eben erst. Sie können sich nicht verwandeln.«
»Löst ihre Fesseln bis auf die an den Händen. Und dann stellt sie auf die Füße. Das hier ist ihrer nicht würdig.«
Rosa hatte die Stimme sofort erkannt, wenngleich sie jetzt klarer klang und nicht mehr verzerrt wurde durch die Sprechanlage im Gefängnis. Sein Gesicht hatte Rosa dort nicht sehen können, eine verspiegelte Scheibe hatte sie getrennt.
Alessandro und sie wurden von den Männern auf den Bauch
Weitere Kostenlose Bücher