Arkadien 03 - Arkadien fällt
anziehen?«
Rosa deutete auf den Frotteemantel hinter Cristina. »Soll ich mich vielleicht auch an dir vorbeizwängen?«
Die Anwältin trat einen Schritt beiseite, aber Rosa schüttelte den Kopf. »Schon gut.« Auf dem zweiten Waschbecken lagen die Sachen, die sie vor dem Duschen aus ihrem Kleiderschrank geholt hatte. Schwarze Jeans, schwarzes Top, ein eng geschnittener schwarzer Ledergehrock. Um den würde es ihr leidtun, wenn sie sich verwandeln und das Zeug irgendwo zurücklassen musste.
Während Rosa in ihre Unterwäsche schlüpfte, atmete Cristina tief durch. »Dieses Archiv unten im Bunker … da ist noch was, das du wissen solltest.«
»Und Alessandro nicht?«
»Das musst du selbst entscheiden. Erst mal geht es nur dich was an.«
Rosa knöpfte die Jeans zu und fädelte ihre schmalen Arme durch die Öffnungen des Shirts. Mit einem Mal wusste sie nicht mehr, warum um alles in der Welt sie sich in einem tropisch heißen Badezimmer eine Lederjacke bereitgelegt hatte. »Komm, wir gehen nach nebenan.«
Cristina folgte ihr in eines der Schlafzimmer. Die Villa war noch immer mit denselben bizarren Siebzigerjahremöbeln eingerichtet, die Alessandros Mutter so gemocht hatte. Das Bett war aus durchsichtigem Plastik, wie aus Frischhaltefolie geformt.
Rosa schloss die Tür. »Setz dich.«
Cristina blieb stehen. »Das da unten war nicht alles. Die Ordner sind nummeriert, und es fehlen eine ganze Menge. Fast die Hälfte, schätze ich. Weißt du, wo der Rest sein könnte?«
Rosa dachte an Fundling, der sich im Hotel Paradiso einquartiert hatte, auf den Spuren seiner ermordeten Eltern. Möglich, dass er einen Teil der Dokumente anderswo entdeckt und in Sicherheit gebracht hatte.
»Keine Ahnung.«
Cristina zog etwas aus ihrer Tasche. »Das hier stammt aus einem Ordner, auf dem der Name deiner Familie stand. Ich hab’s eingesteckt, bevor die Hybriden alles zusammengepackt und aufs Schiff gebracht haben.« Dort durchforsteten in diesem Augenblick Danai und einige ihrer Vertrauten das Material nach Hinweisen auf Lykaons Grab.
Cristina reichte ihr ein Foto, mit der vergilbten Rückseite nach oben. Einen Augenblick lang hielten sie es beide fest, ehe Cristina schließlich losließ. Rosa war nicht sicher, ob sie das Bild wirklich sehen wollte. In Cristinas Blick lag zum ersten Mal Mitgefühl. Das bereitete Rosa größere Sorge als ihre Geheimnistuerei.
Schließlich nahm sie das Foto an sich, drehte es aber noch nicht um. »Was ist das?«
»Dieses Video«, begann Cristina, »das Trevini dir geschickt hat –«
»Das du mir in Trevinis Namen geschickt hast«, verbesserte Rosa sie.
»Darauf war dieser Mann zu sehen – nicht Tano Carnevare, sondern der andere. Apollonio.«
»Mein Vater.«
»Ich hab ein paar Bilder verglichen. Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend.«
Rosas Finger mit dem Foto begannen zu zittern. »Cristina, der Mann war mein Vater! Mein eigener Vater hat dabeigestanden, während Tano mich vergewaltigt hat. Er hat ihm den beschissenen Auftrag dazu gegeben!«
»Schon möglich.«
Sie hatte keine Lust auf dieses Gespräch, aber das war nicht allein Cristinas Schuld. Langsam drehte sie das Foto um.
Es zeigte ein Metallbett vor einer weißen Wand, vielleicht in einer Klinik. Darauf lag eine Frau, Mitte dreißig, mit blondem, langem Haar. Eine Frau, die Rosa ähnlicher sah, als ihr lieb war – Costanza Alcantara, ihre Großmutter. Sie erkannte sie auf der Stelle wieder, von Fotografien und einem Ölgemälde, das mit dem Palazzo in Flammen aufgegangen war.
Neben dem Bett stand ein Mann mit Nickelbrille und Kurzhaarschnitt. Er war groß und bullig, hatte breite Wangenknochen und eine flache Nase. Er trug einen weißen Arztkittel und hielt ein Klemmbrett in der Hand.
Costanza wirkte müde und abgekämpft, aber ihre Mundwinkel waren zu einem Lächeln verzogen, das auf verblüffende Weise über die Grausamkeit hinwegtäuschte, zu der diese Frau fähig gewesen war.
In ihren Armen lagen zwei Säuglinge.
»Lies, was unten am Rand steht«, sagte Cristina. »Das dürfte die Handschrift von Leonardo Mori sein. Jedenfalls taucht sie überall in seinen Unterlagen auf.«
C. Alcantara . Schrägstrich. E. Sigismondis . Schrägstrich. Campofelice di Fitalia . Dahinter ein Datum, das sie kannte.
»Campofelice di Fitalia ist ein kleiner Ort in Westsizilien«, erklärte Cristina, während Rosa noch immer keinen Ton herausbrachte, »in der Nähe von Corleone. Ziemliches Niemandsland da draußen.«
Rosa
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