Arkonadas Totenbuch
faszinierte.
Schon bald verschwand der Riesenvogel aus meinem Blickfeld. Die Bauten des Flughafens nahmen mir die Sicht. Ich befand mich auf dem Teil des Flughafens, wo die großen Lagerhallen standen, wo die Männer vom Zoll ein-und ausgingen, kontrollierten, durchcheckten und ihre Zustimmung gaben oder ihr Veto einlegten.
Man hatte Suko und mich gerufen, weil man uns etwas zeigen wollte. Die »normalen« Beamten waren mit dem Fall nicht klargekommen, sie hatten einen Arzt geholt, der eine Leiche untersuchen mußte. Und er, der über uns und unseren Job informiert war, holte uns auf das Areal des Flughafens.
Jetzt allerdings mußten wir noch etwas warten. Worum es eigentlich ging, hatten weder Suko noch ich erfahren. Uns war nur gesagt worden, daß der Tote, ein Engländer, von einer Bergsteigermannschaft gefunden und in seine Heimat überführt worden war. Offiziell war dieser Mann abgestürzt, und wir machten uns darauf gefaßt, einen schrecklich zugerichteten Toten zu sehen.
Noch war es jedoch nicht soweit. Wir hockten im einem Aufenthaltsramn, in dem es nach Kaffee und Frühstück roch. Neben dem Aschenbecher standen auf dem Tisch noch die leeren Tassen. Suko, der auf einem harten Stuhl vor dem Tisch hockte, schaute über die Platte und sah zu, wie ich mir eine Zigarette ansteckte.
»Nervös?« fragte er.
»Kaum.«
»Die Warterei nervt dich, wie?«
»Ja, und ich habe mir vorgenommen, den Kollegen einiges zu erzählen. Das können sie mit uns nicht machen. Erst diese Aufregung, jetzt die Warterei. Allmählich wird es unverschämt.«
Als hätte ich ein Stichwort gegeben, so öffnete sichplötzlich die Tür und der Beamte trat ein, auf den wir gewartet hatten. Er hieß Ileman und besaß einen hohen Dienstgrad.
»Sorry«, entschuldigte er sich. »Es hat mit einer Ladung Schwierigkeiten gegeben. Deshalb die Verzögerung.«
»Bombenalarm?«
»Leider, Mr. Sinclair. Zum Glück war es nur ein Bluff.«
Ich nickte und dachte dabei an die schrecklichen Unglücke der vergangenen Tage. An den Absturz der indischen Maschine vor der Küste Irlands, an den Terror in Frankfurt und Rom, es war schlimm geworden, und die Beamten auf den Flughäfen waren nicht zu beneiden. Sie versahen ihren Dienst unter einem großen psychologischen Druck. Suko stand auf, ich drückte meine Zigarette aus und schaute auf den etwas gemütlich wirkenden Beamten, der an der Tür stand und auf uns wartete.
Wir verließen den Raum, schritten an einer Reihe von Bürotüren entlang, betraten dann das Freie und wurden von den Strahlen einer warmen Julisonne getroffen, die die großen Rollfelder des Flughafens mit einem goldenen Schleier bedeckte.
Unser Ziel war eine der großen Frachthallen. Zwischen Containerkisten und an Gabelstaplern gingen wir vorbei, hörten die Stimmen der Männer und durch die offenen Türen die Lande-und Startgeräusche der Maschinen hereinwehen.
»Wir haben alles vorbereitet«, erklärte uns Mr. Ileman. »Der Arzt wartet auf Sie.«
»Kennen Sie Einzelheiten?«
»Nein. Es ist aber schlimm.« Er schüttelte den Kopf. »Sie werden mir recht geben, wenn Sie die Leiche sehen.« Er ging vor und öffnete die Tür, hinter der der Tote aufbewahrt worden war.
Wir betraten ihn, und mir fielen zwei Dinge besonders auf. Da war zunächst der Arzt, ein noch junger Mann mit dem Haarschnitt eines Poppers, und im krassen Gegensatz dazu stand die einfache Kunststoffwanne, man konnte auch Sarg sagen, in dem der Tote oder dessen Überreste lagen.
»Meine Güte«, flüsterte Suko, wobei er mir den Kommentar aus dem Mund genommen hatte.
Der Mann sah furchtbar aus.
Ich erinnerte mich an einen Dokumentarfilm, den ich vor Jahren mal gesehen hatte. Es war ein Bericht über die Schweizer Bergrettungsgesellschaft. Dort wurde gezeigt, wie ein abgestürzter Mensch von einem Hubschrauber abtransportiert wurde. Man hatte den Mann an einem Tragseil unter dem Hubschrauber befestigt. Die Szenen waren mir im Gedächtnis geblieben. Dieser Verunglückte hatte sich praktisch alles gebrochen, was es zu brechen gab.
Vor mir im Sarg lag jemand, der fast ebenso aussah. Diesmal wurden wir direkt damit konfontriert, schauten ihn uns an und hörten erst beim zweitenmal die Frage des Arztes.
»Fällt Ihnen nichts auf?«
»Natürlich«, sagte Suko. »Seine Knochen…«
»Moment«, unterbrach der Doc ihn. »Dann schauen Sie sich mal sein Gesicht an. Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen werden.« Er hatte sich schon gebückt und blickte noch einmal zu uns
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