Arkonadas Totenbuch
sie genauer.
Sie bot ein Zerrbild des Schreckens. Versteinert und dennoch lebend. Nicht allein der Arm hatte sich bewegt, auch das Gesicht zeigte Anzeichen von Leben.
Da zuckte der Mund, da rollten die Augen, und Travis Milton spürte einen Strom, der von dieser Figur aus auf ihn überlief. Es fand ein Austausch statt.
Er war mit Worten verbunden, die im Hirn des Mannes nachhallten. »Du bist zu mir gekommen, um das ewige Leben zu erhalten. Ich weiß es zu würdigen, daß du dich auf den langen Weg gemacht hast. Viele haben gedacht, ich sei tot. Das war ein Irrtum. Ich lebe in einer anderen Sphäre weiter. Töten konnte man mich nicht. Meine Gedanken sandte ich aus, sie erreichten ein Ziel, und mir gelang es, abermals Diener um mich zu versammeln. Elis Zeit wird kommen. Du bist nicht der erste, der mich besucht, du bist der letzte, dem ich das ewige Leben schenke. Mehr brauche ich nicht…«
Travis Milton hörte die Worte zwar, aber er begriff sie nicht. So stand er da, schaute auf das alte, von Falten, Runzeln und Gräben gezeichnete Gesicht der Blutgöttin hinab und überlegte sich, wie es wohl weitergehen würde. Sie wollte ihm das ewige Leben schenken, und er fragte sich, wie so etas möglich sein konnte und was er noch für Eli tun konnte. Er drehte den Kopf so, daß er auch in ihre Augen schauen konnte, und er fragte sich, ob die Augen echt waren oder noch immer aus Stein bestanden.
Nein, Eli lebte.
Sie war mit ihm verbunden, und er fühlte plötzlich die Schwäche, die durch seine Glieder rann. Es war ein Gefühl, daß er noch nie zuvor erlebt hatte. Zudem besaß er große Mühen, es selbst zu beschreiben. Er stand da, hielt die Lampe, hatte den Kopf in den Nacken gelegt, und schaute hoch zur Decke, wo die Fledermäuse hockten. Er konzentrierte sich auf den Auslauf aus seinem Körper.
Damit hatte er gewissermaßen den richtigen Begriff gefunden. Es war ein Auslauf, der seinen Körper verließ. Das Leben, die Kraft, die Energie rannen aus seinen Adern, den Gliedern und den Gefäßen. Sie wollten nicht mehr bei ihm bleiben, sie wurden ihm geraubt, regelrecht aufgesaugt. Er fühlte seine Energie verschwinden.
Die andere blühte auf.
Es war Eli, die ihn aussaugte. Milton Travis wußte es, er nahm es hin, und er konnte sogar zuschauen, wie etwas in den Stein rann, aus dem die Blutgöttin noch bestand.
Es war Blut…
Sein Blut!
Er schaute hin, er schielte, er fühlte sich schwach, schlecht und auch ausgelaugt. Er wußte, daß diese andere Gestalt, die aus Stein bestand und dennoch lebte, ihm plötzlich über war und die Kontrolle über seinen Körper bekommen hatte.
Sie saugte weiter.
Wie ein Vampir holte sie sich den Lebenssaft, der in ihren Körper floß und sogar zu sehen war, wie er dicht unter der Haut des Gesteins sich in einem Netz von Adern und Äderchen verteilte, um das Leben in jede Stelle des Körpers hineinzupressen.
Durch den Handkontakt war es bei den beiden so unterschiedlichen Personen zu einem Austausch gekommen. Eli holte sich ihr Leben, während seines verrann.
Travis Milton stand in einer schrägen Haltung da. Er wußte, daß er sich in dieser uralten Höhle befand, doch ebensogut hätte er sich in seinem Apartment aufhalten können, denn die Umgebung verschwamm allmählich vor seinen Augen. Dafür nahm er etwas anderes wahr. In seinem Kopf tobte es. Ein dumpfes Brausen war es, ein Hämmern und Schlagen, als stünde sein Schädel dicht vor dem Zerspringen. Er hatte die Augen weit geöffnet und konnte trotzdem nichts sehen. Die Schwäche war in ihm und am stärksten in seinen Beinen, die plötzlich nachgaben, weil sie das Körpergewicht des Mannes nicht mehr halten konnten.
Travis sackte in die Knie.
Daß er auf den Boden schlug, bekam er nicht mehr mit. Etwas war plötzlich bei ihm, das ihn in die Höhe hob, umspannte wie ein Kokon und einfach davontrug. Wegschaffte, hinaus in die Unendlichkeit, als hätte ihm die andere Kraft große Flügel verliehen, die dafür Sorge trugen, daß er dorthin schwebte, wo es keine Wiederkehr mehr gab. Travis Milton stand auf der Schwelle zum Reich der Toten…
***
Trotzdem überschritt er sie nicht. Das Jenseits faßte noch nicht zu, es wollte ihn wohl. Nur spaltbreit hatte es die Tür geöffnet und sie dann wieder zugeschlagen.
So blieb er in der normalen Welt liegen, ein gekrümmter Körper, ein Mensch, der zwar lebte, aber wie tot wirkte.
Und die Zeit verging.
Die Berge außerhalb der Höhle wurden mit dem Schleier der Finsternis
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