Arkonadas Totenbuch
sahen wir ein seltsames Glänzen. »Wer?« so fragte er mit rauher, dennoch flüsternder Stimme.
»Wer seid ihr?«
Wir stellten uns vor. »Mehr nicht?«
»Doch, mein Lieber«, sagte ich. »Wir sind…«, ich lächelte ein wenig zu meinen Worten. »Geisterjäger. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Dämonen zu jagen, unter anderem auch Wesen wie diese verdammte Blutgöttin. Begreifst du das?«
»Ja, ich habe verstanden. Aber ihr werdet an dieser Aufgabe verzweifeln, das sage ich euch.«
»Gut, schließen wir das ab und kommen zu den Tatsachen.« Ich hatte meinen Blick in den letzten Sekunden über den Sarg wandern lassen, in dem der junge Mann lag. Es war mir schon aufgefallen, daß er ungefähr meine Größe besaß, und auch die Kleidung würde mir passen. Deshalb war mir diese wahnsinnige Idee gekommen.
»Die Blutgöttin kennt die Person nicht, die ihr opfern wollt — oder?«
»Nein, sie…«
»Gut, dann können wir ja tauschen.«
Suko wußte schon, was ich da meinte, der Grieche begriff es nicht.
»Was soll ich darunter verstehen? Tauschen!«
»Ja, mein lieber Bürgermeister. Wir werden tauschen. Nicht dieser junge Mann wird im Sarg liegenbleiben, sondern ich…«
***
Kostos Lakidis ging einen Schritt zurück. Er wankte dabei, so daß wir Angst bekamen, er würde zu Boden stürzen. Im letzten Augenblick fing er sich, streckte den Arm aus und stützte sich an der Mauer ab. »Was wollen Sie da tun?«
»Ich lege mich in den Sarg. Vorausgesetzt, Sie lassen ihn offen. Gegen geschlossene Särge bin ich allergisch, da habe ich so meine Erfahrungen gemacht.«
Lakidis schüttelte den Kopf. Das ging in seinen Schädel nicht hinein. Daß jemand den Vorschlag machte, freiwillig in den Tod zu gehen, denn seiner Ansicht nach gab es gegen Eli keine Chance. Wenigstens nicht für einen normalen Menschen.
Ich ahnte, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn abspielten, gab aber keinen Kommentar.
Suko, der dicht neben mir stand, stieß mich an. »Und du hast dir das gut überlegt, John?«
»Sicher.«
»Das Risiko kennst du?«
»Auch. Aber wir können es mindern, wenn du ebenfalls versuchst, dich in das Kloster einzuschleichen. Den Wagen läßt du hier und folgst uns einfach so, daß man dich nicht sieht.«
Der Inspektor nickte. »Ist mal was anderes«, erwiderte er mit leiser Stimme, aus der unüberhörbar die Besorgnis hervorschwang, die ihn trotz allem überfallen hatte.
»Sie wird es merken!« stieß der Grieche plötzlich hervor. »Sie wird darauf nicht hereinfallen…«
Ich hob die Hand. »Natürlich wird sie es irgendwann merken, aber ich muß in das Kloster hinein. Das ist für mich wichtig. Das Überschreiten der Pforte.«
»Das sehe ich ein.«
»Um nicht sofort aufzufallen, werden wir die Kleidung wechseln«, schlug ich vor. »Die Sachen des jungen Mannes werden mir sicherlich auch passen. Versuchen wir es.«
Kostas Lakidis schaute mit großen Augen zu, wie Suko und ich uns daranbegaben, den jungen Mann aus seiner makabren Schlafstätte zu holen. Als wir ihn anfaßten, stellten wir anhand der Körperwärme fest, daß er tatsächlich nicht tot war, sondern nur fest schlief. Der würde-auch nicht erwachen, wenn wir ihn aus-und umzogen.
Ein Risiko blieb die junge Frau mit dem blassen Gesicht. Sie mußte leider in meiner Nähe bleiben, wobei ich mir fest vornahm, sie niemals aus den Augen zu lassen.
Suko zog dem Mann die Hose aus, ich hatte mich inzwischen bis auf die Unterwäsche entkleidet, schlüpfte in die Hose und mußte feststellen, daß sie ziemlich eng saß und zu kurz war. Das würde bestimmt nicht auffallen, so hoffte ich.
Ich konnte sogar meine Waffen unter der Jacke verstauen, denn sie saß weit genug.
Suko schaute mich mit ernstem Gesicht an. Sein Nicken bewies mir, daß er mit mir zufrieden war. »Du machst dich gut als Hochzeiter«, kommentierte er.
»Danke.«
Lakidis schritt um mich herum. »Und jetzt willst du dich in den Sarg legen, Engländer?«
»Sicher.«
»Ich kann es noch nicht fassen.«
»Wie kommen wir zum Kloster?«
»Ein Wagen wird dafür sorgen. Er ist mit zwei kräftigen Maultieren bespannt, die können es schaffen und haben es schon geschafft, wie ich weiß. Aber da ist noch ein Problem.«
»Welches?«
»Ich müßte die Särge doch schließen.«
Suko lachte leise. Er kannte meine Aversion gegen verschlossene Totenkisten. Da hatte ich schon einen unbeschreiblichen Horror erlebt. Ich befand mich in der Zwickmühle. Sollte ich wegen meiner eigenen Angst und
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