Arkonadas Totenbuch
Jemand antwortete im gleichen Tonfall.
Auch sehr scharf oder heiser. Dann ruckte der Wagen wieder an, kaum daß Lakidis mit seiner Peitsche geknallt hatte. Durch das offene Tor rollten wir in den Hof des Klosters, in dem es ein wenig kühler war, weil hohe Mauern es schützten. Die beiden Maultiere trotteten weiter. Sie wurden nach rechts gelenkt und gerieten mitsamt dem Wagen in den Schatten.
Noch einmal öffnete ich die Augen spaltbreit. Über mir erkannte ich ein dunkles Rechteck. Es mußte von einem Dach oder etwas Ähnlichem stammen.
Schritte drangen an meine Ohren. Mehrere Personen traten an den Wagen heran. Befehle wurden gerufen, Hände griffen zu und faßten nach den beiden Särgen.
Zuerst schleifte der mit der jungen Frau über die Ladefläche und wurde herabgehievt.
Ich wartete gespannt, bis ich an der Reihe war. Hoffentlich ließ man mich noch so lange am Leben, bis ich der Blutgöttin Eli gegenüberstand. Alles andere war mir dann egal.
Die Träger kamen zurück. Ich hörte ihre Schritte, die murmelnden Stimmen, verstand jedoch kein Wort und geriet in Bewegung, als der Sarg über die Ladefläche gezogen wurde.
Wenig später schon schaukelte ich, als der Sarg von zwei Leuten getragen wurde.
Und sie schafften mich weg.
Es kostete mich Überwindung, die Augen geschlossen zu halten. Ich hoffte, daß sie mich nicht untersuchten und meine Waffen fanden. Sie mußten einfach Vertrauen haben, sonst war ich verloren. In der Nase kitzelte der Staub. Er reizte zum Niesen. Nur mühsam und unter Beherrschung meines gesamten Willens hielt ich mich zurück, um nicht laut loszuprusten.
Es ging mir besser, als es kühler wurde. Für mich ein Beweis, daß wir die Innenräume des Klosters betreten hatten und ich wie ein Toter hinter den dicken Mauern verschwunden war. Eingekerkert kam ich mir schon jetzt vor, denn ich vernahm das harte Klappen einer Tür.
Obwohl ich auch weiterhin die Augen geschlossen hielt, merkte ich doch etwas vom tanzenden Schein der Fackeln, der durch die Gänge geistern mußte. Es war ein Flackern vor meinem Gesicht, das ich nicht direkt sah, aber gefühlsmäßig wahrnahm.
Wir schritten durch den Gang, vom Licht der Fackeln begleitet und flankiert.
Wie gern hätte ich jetzt die Augen geöffnet und einen Blick in das Klosterinnere geworfen.
Ich riskierte es nicht.
Zu groß war die Gefahr der Entdeckung.
Wir gingen weiter. Die Schritte meiner Träger hallten. Echos fielen von den kahlen Wänden. Aus dem Hintergrund hörte ich einen dumpf klingenden Gesang. Möglicherweise hatten sich dort andere Mönche versammelt und ehrten die Blutgöttin.
Ich hatte vergessen, mich auf die Träger und meine Umgebung zu konzentrieren, so daß ich von dem plötzlichen Stopp der Träger überrascht wurde. Standen wir am Ziel?
Plötzlich schaukelte der Sarg so verdächtig weit, daß ich Angst davor bekam, er würde kippen. Es fiel mir noch schwerer, liegen zu bleiben und mich nicht zu bewegen. So wurde ich in der engen Totenkiste von einer Seite auf die andere geschleudert. Mein Körper versteifte sich dabei.
Im nächsten Augenblick ging die Reise abwärts.
Ich hatte nicht mitbekommen, daß der Sarg irgendwo aufgehängt worden war. Jedenfalls mußte er über meinem Kopf befestigt worden sein, so daß ich mir wie in einem von der Decke hängenden Korb vorkam. Wahrscheinlich ließ man mich an einem Flaschenzug nach unten in die Tiefe. Spaltbreit hielt ich die Augen offen. Um mich herum war es dunkel, aber nicht völlig finster, denn ich sah rechts und links über mir die Schatten eines in die Tiefe führenden Schachts, der mich geschluckt hatte. Tiefer schaukelte ich mit dem Sarg und hoffte, den Grund unverletzt zu erreichen.
Endlich bekam der Sarg mit dem Boden Kontakt. Er ruckte noch einmal, dann stand er still. Neben mir klatschte etwas zu Boden, das mußten die Seile gewesen sein. Erkennen konnte ich sie nicht, weil es zu finster war. Aber ich hielt die Augen weit geöffnet und starrte in die Höhe. Am Ende des Schachts malte sich schwach das Viereck der Öffnung ab. Dort hockten auch die Gestalten, die sich leicht vorgebeugt hatten und in die Tiefe schauten.
Plötzlich hörte ich den Schrei. Aus zahlreichen Kehlen ausgestoßen, aber immer nur einen Namen rufend.
»Eliii…«
Der Schrei hallte durch den Schacht. Er brandete in meinen Ohren, trieb mir Angst-und Gänsehautschauer über den Rücken, bevor sich die Luke schloß und mich die Finsternis wie die Dunkelheit eines tiefen Grabs
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