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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Überträger bedient, zu einem neuen Wirt wechselt, ist sie möglicherweise ge­zwungen, sich wiederum einen Gliederfüßer zu suchen. So wurde Typhus ursprünglich durch Rattenflöhe von Ratten auf Ratten übertragen, was eine Zeitlang aus­reichte, um auch Menschen mit Typhus zu infizieren. Irgendwann entdeckte der Typhuserreger, daß die Kör­perläuse des Menschen ein viel effektiveres Vehikel für die Reise von Mensch zu Mensch darstellten. Seit die meisten Amerikaner läusefrei sind, hat Typhus einen neuen Weg zu uns entdeckt, und zwar durch Ansteckung von Flughörnchen im Osten der USA, um dann auf Menschen überzuspringen, auf deren Dachböden die Tiere hausen.
    Kurzum, Krankheiten sind nichts anderes als ein Aus­druck der Evolution, in deren Verlauf sich Krankheits­erreger durch natürliche Selektion an neue Wirte und Überträger anpassen. So unterscheiden sich Immunab­wehr, Läuse, Exkremente und Physiologie des mensch­lichen Körpers von denen der Rinder. In der neuen Um­gebung muß eine Mikrobe neue Lebens- und Fortpflan­zungsweisen entwickeln. Human- und Tiermedizinern gelang es in einer Reihe aufschlußreicher Fälle, derar­tige Veränderungen konkret zu beobachten.
    Der am gründlichsten untersuchte Fall handelt von den Geschehnissen nach dem Eintreffen der Myxomatose in Australien. Nachdem das Myxovirus, ursprünglich nur von einer brasilianischen Wildkaninchenspezies bekannt, unter europäischen Kaninchen, die eine andere Spezies bilden, eine tödliche Epidemie ausgelöst hatte, wurde der Erreger 1950 bewußt in Australien eingeführt. Man ver­band damit die Hoffnung, den Kontinent von der Kanin­chenplage zu befreien, die von der törichten Aussetzung europäischer Kaninchen im 19. Jahrhundert herrührte. Im ersten Jahr verursachte die Myxomatose bei infizier­ten Kaninchen eine (für die australischen Farmer) erfreu­liche Sterblichkeitsrate von 99,8 Prozent. Zum Glück für die Kaninchen und zum Bedauern der Farmer sank die Sterblichkeit jedoch im zweiten Jahr auf 90 Prozent und später bis auf 25 Prozent, so daß die Hoffnung auf eine völlige Ausrottung der Kaninchen in Australien begra­ben werden mußte. Das Problem war, daß sich das My­xovirus im eigenen Interesse, das sich von den Interessen des Menschen wie von denen der Kaninchen unterschied, veränderte. Der Wandel bestand darin, daß weniger Ka­ninchen getötet wurden und tödlich infizierte Kaninchen länger lebten, bevor sie an der Erkrankung starben. Das Resultat war für die kaninchengeplagten Farmer nega­tiv, für das Virus aber positiv: Ein weniger rasch tödlich wirkendes Myxovirus hat mehr Zeit, seinen Nachwuchs an eine größere Zahl von Kaninchen weiterzugeben, als das ursprüngliche, hochgradig virulente Virus.
    Ein ähnliches Beispiel beim Menschen war die er­staunliche Evolution der Syphilis. Heute denkt man beim Namen Syphilis an Geschwüre im Genitalbereich und eine sehr langsam verlaufende Krankheit, die nur zum Tod führt, wenn sie viele Jahre unbehandelt bleibt. Als die Syphilis 1495 in Europa erstmals definitiv dia­gnostiziert wurde, waren ihre Opfer dagegen häufig von oben bis unten mit Pusteln übersät, hatten wunde Stel­len im Gesicht und starben innerhalb weniger Mona­te. Bis 1546 war aus der Syphilis die Krankheit mit den heute bekannten Symptomen geworden. Offenbar wa­ren die veränderten Syphilis-Spirochäten, ähnlich wie bei der Myxomatose, in der Lage, ihre Opfer länger am Leben zu halten und auf diese Weise für eine größere Verbreitung ihres Nachwuchses zu sorgen.
    Ein gutes Beispiel für die Bedeutung tödlicher Krank­heitserreger für den Verlauf der Menschheitsgeschich­te ist die Eroberung und Entvölkerung der Neuen Welt durch Europäer. Weitaus mehr Indianer erlagen eura­sischen Krankheiten als Verwundungen durch eurasi­sche Stich- und Schußwaffen. Die Krankheitsepidemi­en schwächten die indianische Gegenwehr, indem sie die Mehrzahl der Indianer samt ihren Führern töteten und die Moral der Überlebenden erschütterten. So lan­dete Cortés im Jahr 1519 mit 600 Mann an der Küste Mexikos, um das Reich der ausgesprochen kampflusti­gen, militärisch erfahrenen Azteken mit seinen vielen Millionen Einwohnern zu erobern. Daß Cortés über­haupt die Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan erreich­te, unter Verlust von »nur« zwei Dritteln seiner Streit­macht entkam und sich den Weg zurück zur Küste bah­nen konnte, zeugt von der militärischen Überlegenheit der Spanier ebenso

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