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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Jahrtausende (Kapitel 11). In der Geschichte der Menschheit wurde die Schrift nur einige wenige Male neu erfunden, und zwar in Gebie­ten, in denen die Landwirtschaft innerhalb der jeweili­gen Regionen am frühesten aufgekommen war. Alle an­deren Schriftkulturen übernahmen ihr Alphabet oder jedenfalls die Idee der Schrift von einem jener wenigen Hauptzentren. Beim Studium der Weltgeschichte läßt sich deshalb anhand der Schrift eine weitere wichtige Ur­sachenkonstellation besonders gut erforschen: der Ein­fluß der Geographie auf die Schnelligkeit und Leichtig­keit der Ausbreitung von Ideen und Erfindungen.
    Was für die Schrift gilt, gilt auch für die Technik (Ka­pitel 12). Eine wichtige Frage lautet, ob es bei technischen Innovationen so sehr auf das seltene Genie einzelner Erfinderpersönlichkeiten ankommt und ob eine solche Vielzahl schwer zu systematisierender kultureller Fak­toren hineinspielt, daß allgemeine Gesetzmäßigkeiten nicht ermittelt werden können. Wie wir sehen werden, erleichtert die Vielfalt kultureller Faktoren paradoxer­weise gerade die Aufdeckung solcher Gesetzmäßigkeiten des technischen Fortschritts. Indem die Landwirtschaft Bauern in die Lage versetzte, Überschüsse zu erzeugen, gestattete sie es bäuerlichen Gesellschaften, sich hand­werkliche Spezialisten zu leisten, die selbst keine Nah­rung produzierten und ihre Energie statt dessen der Ent­wicklung neuer Techniken widmen konnten.
    Neben Schreibern und Erfindern ermöglichte die Landwirtschaft den Bauern überdies auch den Unter­halt von Politikern (Kapitel 13). Bei umherziehenden Scharen von Jägern und Sammlern herrschen vergleichs­weise egalitäre Zustände, und die Politik beschränkt sich auf das Territorium der jeweiligen Gruppe sowie auf wechselnde Allianzen mit Nachbargruppen. Mit dem Aufkommen seßhafter, Nahrung produzierender, dich­ter Populationen ging der Aufstieg von Fürsten, Köni­gen und Bürokraten einher. Bürokratische Apparate wa­ren nicht nur die Voraussetzung für die Ausübung der Herrschaft über große, dicht besiedelte Gebiete, sondern auch für den Unterhalt stehender Heere, die Aussendung von Flotten zur Erkundung ferner Länder und zum Or­ganisieren von Eroberungskriegen.
    Teil IV (»Reise um die Erde in fünf Kapiteln«, Kapi­tel 14–18) wendet die in Teil II und III gewonnenen Er­kenntnisse auf jeden der Kontinente sowie einige wich­tige Inseln an. Gegenstand von Kapitel 14 ist die Ge­schichte Australiens und der großen Insel Neuguinea, die einst mit dem australischen Festland verbunden war. Als Heimat von Kulturen, die bis in die Neuzeit auf ein­fachstem technischem Stand verharrten, und als einzi­ger Kontinent, der die Landwirtschaft nicht eigenstän­dig hervorbrachte, ist Australien für Theorien über in­terkontinentale Unterschiede zwischen menschlichen Kulturen ein entscheidender Prüfstein. Wir werden se­hen, warum australische Aborigines Jäger und Sammler blieben, während selbst im benachbarten Neuguinea die meisten Stämme zur Landwirtschaft übergingen.
    In Kapitel 15 und 16 werden die Entwicklungen in Au­stralien und Neuguinea in eine Betrachtung der Gesamt­region einschließlich des ostasiatischen Festlands und der Pazifikinseln einbezogen. Der Aufstieg der Land­wirtschaft in China war Auslöser mehrerer umfassender prähistorischer Ausbreitungsbewegungen von mensch­lichen Populationen, kulturellen Merkmalen oder bei­dem zugleich. Eine fand in China selbst statt und brach­te das politische und kulturelle Phänomen Chinas her­vor, wie wir es heute kennen. Eine andere Bewegung hatte zur Folge, daß Jäger- und Sammlerpopulationen in nahezu dem gesamten südostasiatischen Raum ver­drängt wurden; an ihre Stelle traten bäuerliche Einwan­derer, deren ursprüngliche Heimat im Süden Chinas lag. Eine dritte Ausbreitungsbewegung, die austronesische Expansion, führte in ähnlicher Weise zur Verdrängung der Jäger- und Sammlerpopulationen auf den Philippi­nen und in Indonesien; während dabei selbst die entle­gensten Inseln Polynesiens besiedelt wurden, gelang es nicht, Australien und den größten Teil Neuguineas zu kolonisieren. All diese Kollisionen von ostasiatischen und pazifischen Völkern sind für das Studium der Welt­geschichte von doppeltem Interesse: Zum einen führ­ten sie zur Entstehung von Ländern, in denen heute ein Drittel der Weltbevölkerung lebt und die immer mehr wirtschaftliche Macht auf sich vereinen. Zum anderen eignen sie sich

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