Arm und Reich
die Suche Jahrzehnte, bevor sich in der archäologischen Fachwelt Konsens einstellt.
Die fossilen Überreste von Menschen, die vor rund einer halben Million Jahren lebten, weisen gegenüber älteren Homoerectus- Skletten einen größeren, runder geformten und weniger kantigen Schädel auf. Afrikanische und europäische Schädel von vor einer halben Million-Jahren besaßen genügend Ähnlichkeit mit den Schädeln des heutigen Menschen, um sie bereits als Angehörige unserer Spezies, des Homo sapiens , und nicht mehr als Homo erectus einzustufen. Diese Unterscheidung entbehrt allerdings nicht der Willkür, da ja der Homo sapiens aus dem Homo erectus hervorging. Diese frühen Homo sapiens unterschieden sich von den heutigen Vertretern der Spezies Mensch jedoch immer noch in einzelnen anatomischen Merkmalen, besaßen ein deutlich kleineres Gehirn und waren auch in ihren Artefakten und ihrem Verhalten von den heutigen Menschen kraß verschieden. Neuzeitliche Steinzeitvölker, zu denen beispielsweise noch Yalis Urgroßeltern zählten, hätten für die Steinwerkzeuge aus der Zeit vor einer halben Million Jahren ob ihrer primitiven Machart nur Verachtung empfunden. Die einzige andere bedeutende Erweiterung des kulturellen Repertoires unserer Urahnen, die für jene Zeit zuverlässig belegt ist, war der Gebrauch des Feuers.
Es wurden vom frühen Homo sapiens weder Kunstgegenstände, Werkzeuge aus Knochen noch irgendwelche anderen Dinge gefunden – alles, was wir von ihnen haben, sind Skelettreste und jene primitiven Steinwerkzeuge. Es gab noch keine Menschen in Australien, wohl aus dem naheliegenden Grund, daß man Boote gebraucht hätte, um von Südostasien dorthin zu gelangen. Auch Nord- und Südamerika waren noch unbesiedelt, denn es hätte ja zuvor der nächstgelegene Teil des eurasischen Kontinents, nämlich Sibirien, in Besitz genommen werden müssen, und vielleicht wären auch Boote erforderlich gewesen. (Die heutige flache Beringstraße zwischen Sibirien und Alaska war aufgrund des Sinkens und Wiederansteigens des Meeresspiegels während der Eiszeiten manchmal eine Meerenge, dann wieder eine breite, trockene Landbrücke zwischen den Kontinenten.) Die Kunst des Bootsbaus und das Überleben im kalten Sibirien lagen jedoch noch weit außerhalb der Fähigkeiten des frühen Homo sapiens .
Ab der Zeit vor einer halben Million Jahren begannen die menschlichen Populationen Afrikas und des westlichen Eurasiens sich in ihrer Skelettanatomie voneinander und von ostasiatischen Populationen zu unterscheiden. Die menschlichen Geschöpfe, die im Zeitraum vor 130 000 bis 40 000 Jahren in Europa und Westasien lebten, sind durch besonders zahlreiche Skelettfunde vertreten und werden als Neandertaler bezeichnet – manche Wissenschaftler sprechen von einer eigenen Spezies, dem Homo neanderthalensis . Im Widerspruch zu der landläufigen Vorstellung, daß die Neandertaler wie Affen aussehende Rohlinge waren, die in Höhlen hausten, besaßen sie etwas größere Gehirne als wir. Sie waren außerdem die ersten Menschen, bei denen vieles dafür spricht, daß sie ihre Toten begruben und ihre Kranken pflegten. Verglichen mit den geschliffenen Steinäxten neuzeitlicher Neuguineer waren ihre Steinwerkzeuge jedoch noch immer primitiv und wurden in der Regel auch noch nicht in verschiedenen Standardformen mit klar erkennbaren Funktionen angefertigt.
Die wenigen in Afrika gefundenen Skelettreste aus dem gleichen Zeitraum haben mehr Ähnlichkeit mit unseren heutigen Skeletten als mit denen der Neandertaler. In Ostasien sind noch weniger Skelette aus jener Zeit erhalten, doch wie es aussieht, unterschieden sich die Ostasiaten sowohl von den Afrikanern als auch von den Neandertalern. Aufschluß über die damalige Lebensweise geben uns am ehesten Steinartefakte und die Knochen von Beutetieren aus Fundstätten im südlichen Afrika. Trotz modernerer Anatomie im Vergleich zu ihren Neandertaler-Zeitgenossen verwendeten jene Afrikaner vor 100 000 Jahren im wesentlichen die gleichen primitiven Steinwerkzeuge wie sie und kannten ebenfalls noch keine Standardformen. Auch Kunstobjekte sind uns von ihnen nicht überliefert. Nach den Knochen der Tiere zu urteilen, die sie erlegten, war ihr Jagdgeschick nicht sehr beeindruckend – bei ihrer Beute handelte es sich hauptsächlich um leicht zu tötende, ausgesprochen harmlose Arten. Büffel, Wildschweine und andere gefährlichere Tiere standen
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