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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ein. Gestützt auf Augenzeugenberichte, wird die dramatischste Be­gegnung dieser Art, die sich wohl je in der Geschich­te abgespielt hat, nacherzählt: die Gefangennahme des letzten unabhängigen Inka-Herrschers, Atahualpa, im Beisein seiner gesamten Armee durch Francisco Pizar­ro und eine kleine Schar von Konquis tadoren in der pe­ruanischen Stadt Cajamarca. Wir erfassen die Kette un­mittelbarer Faktoren, die Pizarro in die Lage versetz­ten, Atahualpa gefangenzunehmen, und die auch bei der Unterwerfung anderer indianischer Gesellschaften eine Rolle spielten. Dazu zählten die Krankheitserreger, Pferde, das Alphabet, die politische Organisation und Technik (insbesondere Schiffe und Waffen) der Spanier. Die Analyse der unmittelbaren Ursachen ist allerdings der leichte Teil dieses Buchs; der schwierige Teil ist die Aufdeckung der eigentlichen, sie bedingenden Ursachen, die dazu führten, daß die Geschichte diesen und nicht den umgekehrten Verlauf nahm, sprich, daß nicht Ata­hualpa nach Madrid zog und König Karl I. von Spani­en gefangennahm.
    Teil II, »Beginn und Ausbreitung der Landwirtschaft«, befaßt sich in den Kapiteln 3–9 mit der aus meiner Sicht wichtigsten Konstellation eigentlicher Ursachen. In Ka­pitel 3 werde ich kurz skizzieren, wie die Landwirtschaft– also die planmäßige Erzeugung von Nahrung durch Ackerbau und Viehzucht anstelle des Jagens von Wild­tieren und des Sammelns von Früchten der Natur – im Endeffekt jene unmittelbaren Faktoren auf den Plan rief, die Pizarros Sieg ermöglichten. Der Aufstieg der Land­wirtschaft verlief jedoch in den verschiedenen Regionen der Erde sehr unterschiedlich. Wie ich in Kapitel 4 zei­gen werde, erfanden manche Völker in einigen Teilen der Welt die Landwirtschaft unabhängig von anderen. Andere übernahmen sie in prähistorischer Zeit von die­sen unabhängigen Zentren, während wieder andere die Land wirtschaft weder in prähistorischer Zeit erfanden noch übernahmen, sondern bis in die jüngste Vergan­genheit Jäger und Sammler blieben. Kapitel 5 geht den verschiedenen Faktoren nach, an denen es gelegen ha­ben könnte, daß der Übergang von der Jagd- und Sam­melwirtschaft zur Landwirtschaft in einigen Regionen stattfand, in anderen jedoch nicht. In den Kapiteln 6, 7 und 8 erfährt der Leser, wie die ersten Bauern und Viehzüchter, ausgehend von Wildpflanzen und -tieren, in prähistorischer Zeit Kulturpflanzen und Vieh dome­stizierten – ganz ohne zu ahnen, was daraus folgen soll­te. Geographische Unterschiede in der örtlichen Verbrei­tung von Wildpflanzen und -tieren, die geeignete Dome­stikationskandidaten darstellten, spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, warum sich nur wenige Regionen zu unabhängigen Zentren der Landwirtschaft entwickelten und warum die Landwirtschaft in einigen Regio­nen früher auf den Plan trat als in anderen. Von diesen wenigen Ausgangszentren fand die Landwirtschaft den Weg in einige Regionen schneller, in andere langsamer. Als wichtiger Faktor, der die unterschiedliche Ausbrei­tungsgeschwindigkeit mit erklärt, erweist sich die Aus­richtung der Kontinentalachsen. Während in Eurasien die Ost-West-Achse dominiert, ist es in Amerika und Afrika die Nord-Süd-Achse (Kapitel 9).
    Wir haben also in Kapitel 2 die unmittelbaren Fakto­ren skizziert, die zum Sieg der Europäer über die India­ner führten, und in Kapitel 3 die Herausbildung dieser Faktoren auf die Landwirtschaft als eigentliche Ursache zurückgeführt. In Teil III (»Von der Landwirtschaft zur Kleptokratie«, Kapitel 10–13) wird den Zusammenhän­gen zwischen unmittelbaren und eigentlichen Ursachen im Detail nachgegangen. Den Anfang macht die Evo­lution der für Gesellschaften mit hoher Bevölkerungs­dichte charakteristischen Krankheitserreger (Kapitel 10). Weitaus mehr Indianer und andere nichteurasische Völ­ker fielen eurasischen Krankheiten zum Opfer als den stählernen Waffen der Eindringlinge. Umgekehrt war­teten auf die europäischen Eroberer in der Neuen Welt nur wenige tödliche Krankheiten. Was waren die Grün­de für dieses ungleiche Verhältnis? Aufschluß geben die Ergebnisse neuerer molekularbiologischer Studien, die einen Zusammenhang, der in Europa wesentlich intensi­ver war als in Nord- und Südamerika, zwischen Krank­heitserregern und der Entstehung der Landwirtschaft nachweisen.
    Eine weitere Kausalkette führt von der Landwirt­schaft zur Entstehung der Schrift, der vielleicht wich­tigsten Erfindung der letzten

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