Arm und Reich
besonders gut als Beispiele, die das Verständnis der Geschichte von Völkern in anderen Regionen der Welt erleichtern.
Kapitel 17 wendet sich erneut dem Problem aus Kapitel 2 zu, der Kollision von Europäern und amerikanischen Indianern. Eine Zusammenfassung des Geschichtsverlaufs in der Neuen Welt und im westlichen Eurasien in den letzten 13 000 Jahren verdeutlicht, warum die Eroberung Amerikas durch Europäer lediglich den Höhepunkt zweier langer, zumeist getrennter Entwicklungen bildete. Entscheidende Aspekte der unterschiedlichen Entwicklung waren insbesondere die auf jedem Kontinent vorkommenden Pflanzen und Tiere, Krankheitserreger, die Zeitpunkte der Besiedlung, die Ausrichtung der Kontinentalachsen und die ökologischen Barrieren.
Kapitel 18 handelt schließlich von der Geschichte Afrikas südlich der Sahara, die verblüffende Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zur Geschichte der Neuen Welt aufweist. Die gleichen Faktoren, welche die Begegnungen zwischen Europäern und Afrikanern prägten, bestimmten auch das Zusammentreffen mit den indianischen Gesellschaften Nord- und Südamerikas. Bei jedem dieser Faktoren gab es jedoch auch Unterschiede zwischen Afrika und Amerika. Sie führten dazu, daß die europäischen Eroberungszüge, außer im äußersten Süden des Kontinents, keine umfassende beziehungsweise dauerhafte weiße Besiedlung Afrikas südlich der Sahara zur Folge hatten. Von nachhaltigerer Bedeutung war eine umfangreiche Bevölkerungsverschiebung, die sich innerhalb Afrikas abspielte: die Expansion der Bantu-Völker. Sie hatte, wie wir sehen werden, in vieler Hinsicht gleiche Ursachen wie die Ereignisse in Cajamarca, Ostasien, auf den Pazifikinseln, in Australien und Neuguinea.
Ich hege nicht die Illusion, daß es mir gelingen könnte, in wenigen Kapiteln die Geschichte der letzten 13 000 Jahre auf allen Kontinenten zu erklären. Das würde sicher den Rahmen eines einzelnen Buchs sprengen, selbst wenn alle Fragen geklärt wären, was nicht der Fall ist. Es kann hier deshalb allenfalls darum gehen, einige Konstellationen von Umweltfaktoren aufzuzeigen, die, wie ich meine, die Antwort auf Yalis Frage zum großen Teil beinhalten. Die Beantwortung noch offener Fragen bleibt Aufgabe für die Zukunft.
Im Epilog werden unter der Überschrift »Die Zukunft der Geschichte als Naturwissenschaft« einige dieser offenen Fragen umrissen, beispielsweise das Problem der Unterschiede zwischen verschiedenen Teilen Eurasiens, die Rolle kultureller Faktoren, die nicht mit der Umwelt zusammenhängen, sowie die Rolle von Individuen in der Geschichte. Die vielleicht größte ungelöste Aufgabe ist die Etablierung der Geschichtswissenschaft als historische Naturwissenschaft neben anerkannten Disziplinen wie Evolutionsbiologie, Geologie und Klimatologie. Die Erforschung der Menschheitsgeschichte wirft zweifellos große Schwierigkeiten auf, aber manche davon sind durchaus jenen vergleichbar, mit denen auch in den anerkannten historischen Naturwissenschaften gerungen werden muß. Deshalb könnten sich einige der in diesen Bereichen entwickelten Methoden auch in der Geschichtswissenschaft als nützlich erweisen.
Ich hoffe, daß ich Sie, liebe Leser, schon jetzt überzeugen konnte, daß Geschichte alles andere ist als eine langweilige Aneinanderreihung von Fakten, wie viele glauben. Daß es in der Geschichte allgemeine Verlaufsmuster gibt, steht außer Frage, und die Suche nach Erklärungen ist ebenso lohnend wie spannend.
TEIL I
Von Eden nach Cajamarca
KAPITEL 1
Vor dem Startschuß
Was geschah auf den Kontinenten
bis 11000 v. Chr.?
E in geeigneter Ausgangspunkt für den Vergleich historischer Entwicklungen auf den verschiedenen Kontinenten liegt um 11 000 v. Chr. [2] In diese Zeit fallen die Entstehung der ersten Dörfer in einigen Teilen der Welt, die unbestrittene Erstbesiedlung Nordund Südamerikas, das Ende der letzten Eiszeit sowie der Beginn der erdgeschichtlichen Neuzeit. Zumindest in einer Region begann die Domestikation von Pflanzen und Tieren binnen weniger Jahrtausende nach jenem Zeitpunkt. Hatten wohl schon damals die Bewohner einiger Kontinente einen klaren Vorsprung vor denen anderer?
Falls dies so war, würde ein solcher in den letzten 13 000 Jahren noch erweiterter Vorsprung Yalis Frage vielleicht beantworten. In diesem Kapitel möchte ich Sie deshalb auf eine Blitzreise durch die menschliche Geschichte auf allen Kontinenten
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