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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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neuguineischen Stäm­men sind nie ungefährlich, aber diesmal stand die Begeg­nung unter einem besonders schlechten Stern. Dennoch flog mein Freund Doug mit einem Hubschrauber in das Gebiet, um friedliche Beziehungen zu den Fayu anzu­knüpfen. Er kehrte zwar lebend, aber sehr mitgenommen zurück und wußte Bemerkenswertes zu berichten.
    Wie er erfahren hatte, lebten die Fayu normalerwei­se in kleinen Familienverbänden weit verstreut in den Sümpfen und trafen sich nur ein- oder zweimal jährlich in größerem Kreis zum Brauttausch. Dougs Besuch fiel zufällig mit einem dieser Treffen zusammen, an dem einige Dutzend Fayu teilnahmen. Für uns ist eine Ver­sammlung von ein paar Dutzend Menschen nichts Be­sonderes, aber für die Fayu ist das ein seltenes, furch­terregendes Ereignis. Mörder stehen plötzlich den Ver­wandten ihrer Opfer gegenüber.
    So erkannte ein männlicher Fayu den Mann, der sei­nen Vater umgebracht hatte. Der Sohn hob seine Axt und rannte auf den Mörder zu, wurde aber von seinen Freunden zu Boden geworfen und festgehalten; dann kam der Mörder herbeigerannt, um mit einer Axt auf den am Boden liegenden Sohn loszugehen, und wur­de ebenfalls niedergerissen. Beide Männer schrien vor Zorn und wurden so lange festgehalten, bis sie offen­bar erschöpft genug waren, um wieder losgelassen zu werden. Andere Männer tauschten hier und da wüten­de Beschimpfungen aus und hämmerten mit ihren Äx­ten auf den Boden. Während der gesamten mehrtägigen Versammlung blieb die Atmosphäre spannungsgeladen, und Doug betete, daß sein Besuch nicht in einem Aus­bruch offener Gewalt enden möge.
    Die Fayu sind eine Gruppe von etwa 400 Jäger- und Sammlernomaden, die vier verschiedenen Clans ange­hören und ein Gebiet von einigen hundert Quadratki­lometern durchstreifen. Nach eigenen Angaben betrug ihre Zahl früher etwa 2000, doch waren sie von Mord und Totschlag untereinander stark dezimiert. Es mangel­te ihnen an politischen und sozialen Mechanismen zur friedlichen Konfliktbeilegung, wie sie für uns selbstver­ständlich sind. Einige Zeit nach dem Besuch von Doug folgte ein beherztes Missionarsehepaar der Einladung einer Gruppe von Fayu und ließ sich bei ihnen nieder. Das war vor über zwölf Jahren, und mittlerweile ist es den beiden durch stetiges Bemühen gelungen, die Fayu zur Abkehr von der Gewalt zu bewegen. In der moder­nen Welt, in die sie nun eintreten, blicken die Fayu ei­ner ungewissen Zukunft entgegen.
    Viele andere Gruppen von Neuguineern und Amazo­nas-Indianern, die zuvor noch keinen Kontakt zur Au­ßenwelt hatten, wurden in ähnlicher Weise durch das Wirken von Missionaren in die moderne Gesellschaft eingegliedert. Auf die Missionare folgten Lehrer und Ärzte, Verwaltungsbeamte und Soldaten. So oder ähnlich gingen Staat und Religion in der gesamten uns überlie­ferten Geschichte bei ihrem Vordringen Hand in Hand, ob nun auf friedliche (wie letztendlich bei den Fayu) oder gewaltsame Weise. Bei der gewaltsamen Variante wa­ren es oft Regierungen, die Eroberungen organisierten, während Religionen die Rechtfertigung lieferten. Mögen Nomaden und Stammesge meinschaften auch mitunter Siege über Regierungen und Religionen davontragen, so ging der Trend in den letzten 13 000 Jahren doch ein­deutig dahin, daß erstere die Verlierer und letztere die Gewinner waren.
    Am Ende der letzten Eiszeit lebte ein großer Teil der Weltbevölkerung in ähnlichen Gemeinschaften wie die Fayu heute. Gesellschaftliche Ordnungen von wesent­lich höherer Komplexität gab es zu jener Zeit nirgend­wo auf der Welt. Noch im Jahr 1500 n. Chr. gehörten weniger als 20 Prozent der Landfläche unseres Plane­ten zu Staatswesen mit festen Grenzen, Verwaltungsap­paraten und Rechtsordnungen. Heute ist alles Land mit Ausnahme der Antarktis zwischen Staaten aufgeteilt. Die Nachkommen jener Gesellschaften, die als erste zentra­listische Herrschaft und organisierte Religion einführ­ten, behaupten in der heutigen Welt eine dominierende Stellung. Neben Krankheiten, Schrift und Technik war die Kombination von Staat und Religion somit eines von vier Faktorenbündeln, die das Grundmuster des Ge­schichtsverlaufs als unmittelbare Ursachen bestimmten. Wie kam es zur Entstehung von Staat und Religion?
    Fayu-Gruppen und moderne Staaten verkörpern ent­gegengesetzte Pole im Spektrum menschlicher Gesell­schaften. Die moderne amerikanische Gesellschaft und die Fayu unterscheiden sich im Vorhandensein bezie­hungsweise

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