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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Qua­lifikationen wie Charakterstärke, physische Kraft, Intel­ligenz und Kampfgeschick erworben wird.
    Meine eigenen Erfahrungen mit Gruppen von Jägern und Sammlern stammen aus dem sumpfigen Seentief­land von Neuguinea, der Heimat der Fayu. Dort be­gegnen mir noch heute Familienverbände, die aus ei­ner Handvoll Erwachsener samt ihren Kindern und Al­ten bestehen und die in einfachen Behelfsunterkünften an Wasserläufen hausen und sich per Kanu und zu Fuß fortbewegen. Warum leben die Bewohner des neuguin­eischen Seentieflands weiter in nomadischen Gruppen, während die meisten anderen Völker Neuguineas und fast alle übrigen Völker der Welt heutzutage in seßhaften größeren Gruppen leben? Der Grund liegt darin, daß es der Region an bedeutenden örtlichen Konzentrationen von Ressourcen mangelt, die einer größeren Bevölke­rung als Existenzgrundlage dienen könnten; zudem gab es (bis zur Ankunft von Missionaren, die Kulturpflan­zen mitbrachten) in der Region keine heimischen Pflan­zen für eine ertragreiche Landwirtschaft. Das Grund­nahrungsmittel der Fayu liefert die Sagopalme, aus de­ren reifem Stamm ein Stärkemehl gewonnen wird. Daß die Fayu als Nomaden leben, folgt schon daraus, daß sie weiterziehen müssen, wenn in einem Gebiet alle Sago­palmen gefällt sind. Die Größe ihrer Gruppen wird be­grenzt durch Krankheiten (vor allem Malaria), den im Sumpfland herrschenden Mangel an bestimmten Roh­materialien (selbst Steine für Werkzeuge müssen durch Tauschhandel beschafft werden) und die begrenzte Nah­rungsmenge, die die Sümpfe hergeben. Eine ähnlich be­schränkte Ressourcenausstattung (unter Berücksichti­gung der vorhandenen Techniken) kennzeichnete auch die anderen Regionen der Welt, die bis vor kurzem den Lebensraum von Nomadengruppen bildeten.
    Unsere engsten Verwandten im Tierreich, die Gorillas, Schimpansen und Bonobo, leben ebenfalls in Gruppen. Vermutlich galt dies auch für den Menschen, bis verbes­serte Techniken zur Nahrungsgewinnung einigen Jägern und Sammlern in von der Natur besonders reich geseg­neten Gebieten die Möglichkeit gaben, seßhaft zu werden und permanente Behausungen zu errichten. Die Grup­pe ist somit das politische, wirtschaftliche und soziale Vermächtnis unserer Jahrmillionen währenden Evolu­tionsgeschichte. Alles, was nach ihr kam, spielte sich in den letzten Jahrzehntausenden ab.
    Das erste Stadium jenseits der Gruppe ist der Stamm, der sich dadurch unterscheidet, daß er größer ist (in der Regel hat er einige hundert statt einige Dutzend Angehörige) und für gewöhnlich feste Siedlungen umfaßt. Allerdings gibt es auch Viehzüchterstämme, die mit ih­ren Herden in bestimmten Jahreszeiten an andere Orte ziehen.
    Ein Beispiel für den Stamm als Organisationsform menschlicher Gesellschaften liefern die neuguineischen Hochlandbewohner, bei denen vor der Errichtung der Kolonialherrschaft das Dorf oder eine Gruppe benach­barter Dörfer die wichtigste politische Einheit bildete. Diese politische Definition des Begriffs »Stamm« ist da­mit in vielen Fällen enger gefaßt als das, was Linguisten und Kulturanthropologen im allgemeinen darunter ver­stehen – nämlich einen Kreis von Personen mit gleicher Sprache und Kultur. Im Jahr 1964 begann ich mit Feld­studien bei den Foré, einem Volk im neuguineischen Hochland. Nach linguistischen und kulturellen Maßstä­ben gab es zum damaligen Zeitpunkt 12 000 Foré, die zwei Dialekte sprachen (die für die Sprecher des jeweils anderen Dialekts zu verstehen waren) und in 65 Dör­fern mit jeweils mehreren hundert Bewohnern lebten. Die Dörfer der Foré-Sprecher bildeten jedoch keines­wegs eine politische Einheit. Alle benachbarten Dörfer waren ständig in Kriege untereinander verwickelt und schmiedeten wechselnde Allianzen, wobei es überhaupt keine Rolle spielte, ob es sich um Sprecher der Foré- oder einer anderen Sprache handelte.
    Stämme, die erst vor kurzem ihre Unabhängigkeit ver­loren haben und seither der Hoheit von Nationalstaaten unterstehen, bilden noch heute einen Großteil der Be­völkerung Neuguineas, Melanesiens und des Amazonas­gebiets. Archäologische Funde früher Siedlungen, die schon beachtlich groß waren, aber noch nicht die Merk­male von Häuptlingsreichen aufwiesen, die ich weiter unten erläutern werde, lassen auf die Existenz stamme­sähnlicher Organisationsformen schließen. Nach diesen Funden zu urteilen, begann die Entstehung von Stäm­men vor etwa 13 000 Jahren im

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