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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ungleicher verteilt ist als in den Dörfern Neuguineas.
    Bei jeder auf sozialer Ungleichheit gegründeten Ge­sellschaft, ob Häuptlingsreich oder moderner Staat, stellt sich die Frage, warum das Volk geduldig zuschaut, wie sich Kleptokraten die Früchte seines Schweißes aneig­nen. Diese Frage, auf die Philosophen von Plato bis Marx nach Antworten suchten, wird von den Bürgern moder­ner Staaten bei jeder Wahl neu aufgeworfen. Kleptokra­tien mit wenig Halt in der Bevölkerung laufen Gefahr, gestürzt zu werden, entweder durch geknechtete Unter­tanen oder durch andere Möchtegernkleptokraten, die das Volk auf ihre Seite zu ziehen suchen, indem sie ein besseres Verhältnis von erbrachten Leistungen zu ge­stohlenen Früchten versprechen. So kam es in der Ge­schichte Hawaiis immer wieder zu Revolten gegen re­pressive Herrscher; meist wurden sie von deren jüngeren Brüdern angezettelt, die dem Volk etwas weniger Un­terdrückung versprachen. Im Zusammenhang mit dem alten Hawaii mag man darüber schmunzeln, doch soll­ten wir nicht vergessen, daß derartige Streitereien noch heute großes Elend über die Völker bringen.
    Was sollte eine Elite am besten tun, um die Bevölke­rung hinter sich zu bringen und zugleich ein komfor­tableres Leben führen zu können als der kleine Mann? Kleptokraten aller Epochen haben auf diese Frage Ant­worten gefunden, die meist Kombinationen von vier ver­schiedenen Vorgehensweisen darstellten:
Entwaffnung der Massen, Bewaffnung der Elite. In der heutigen Zeit der industriell hergestellten High-Tech-Waffen, die leicht von Eliten monopolisierbar sind, ist dies viel einfacher als in früheren Tagen, als Speere und Keulen noch von jedermann in Heimarbeit angefertigt werden konnten.
Zufriedenstellung der Massen durch Rückgabe ei­nes hohen Anteils des Tributs, stets darauf achtend, daß die gewählten Ausgabenfelder beim Volk auch gut an­kommen. Dieses Prinzip besaß für hawaiianische Herr­scher ebenso Gültigkeit wie für heutige Politiker, bei­spielsweise in den USA.
Nutzung des Gewaltmonopols zur Aufrechterhal­tung der öffentlichen Ordnung und zur Eindämmung von Gewalt. Hierbei handelt es sich um einen potentiell großen Vorteil zentralistischer gegenüber nichtzentra­listischen Gemeinwesen, der gar nicht genug betont werden kann. Von Anthropologen wurden Stammesge­sellschaften und Jäger-Sammler-Gruppen früher als sanftmütig und friedfertig idealisiert, da Wissenschaftler, die eine aus 25 Personen bestehende Gruppe besucht hatten, während eines dreijährigen Forschungsaufent­halts keinen einzigen Mord beobachtet hatten. Natürlich nicht! Man kann leicht nachrechnen, daß eine aus einem Dutzend Erwachsener und einem Dutzend Kindern be­stehende Gruppe, die schon die ganz normalen, nicht mit Mord zusammenhängenden Todesfälle verkraften muß, gar nicht existieren könnte, wenn obendrein noch alle drei Jahre einer der zwölf Erwachsenen einem an­deren aus der Gruppe den Garaus machen würde. Viel ausführlichere und über lange Zeiträume gesammelte In­formationen über Gruppen und Stammesgesellschaften haben gezeigt, daß Mord und Totschlag zu den häufig­sten Todesursachen zählen. Ich war einmal zu Besuch bei den Iyau in Neuguinea, als gerade eine Anthropologin Iyau-Frauen über ihre Lebensgeschichten befragte. Nach dem Namen des Ehemannes gefragt, gab eine nach der anderen die Namen mehrerer Männer an, die nachein­ander eines unnatürlichen Todes gestorben waren. Eine typische Antwort lautete so: »Mein erster Mann wurde bei einem Überfall der Elopi getötet. Mein zweiter Mann wurde von einem Mann umgebracht, der mich zur Frau wollte und mein dritter Mann wurde. Den hat dann der Bruder meines zweiten Ehemannes aus Rache getötet.« Derartige Biographien sind für angeblich so sanftmüti­ge Stammesangehörige keine Seltenheit und trugen mit dazu bei, daß eine Zentralgewalt mit zunehmender Grö­ße von Stammesgesellschaften akzeptiert wurde.
    4. Die vierte und letzte Möglichkeit für Kleptokra­ten, sich die Unterstützung des Volkes zu sichern, ist die Ersinnung einer Ideologie oder Religion, die ihre Herrschaft rechtfertigt. In Jäger-Sammler-Gruppen und Stammesgesellschaften glaubte man bereits an überna­türliche Dinge, gar nicht viel anders als in den großen Religionsgemeinschaften unserer Zeit. Doch solche Glau­bensvorstellungen dienten nicht zur Rechtfertigung einer Zentralgewalt, zur Umverteilung von Wohlstand oder zur Wahrung des Friedens

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