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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Häuptlingsreich Mtet­wa durch die Tötung eines Rivalen an sich riß, löste das Problem der Schaffung zentralistischer Machtstrukturen auf höchst erfolgreiche Weise. Dingiswayo baute eine schlagkräftige militärische Organisation auf, indem er junge Männer aus allen Dörfern einzog und sie nach Al­ter statt nach ihrem Heimatdorf in Regimenter einteilte. Ihm gelang auch der Aufbau zentralistischer politischer Strukturen; bei der Eroberung anderer Häuptlingsreiche verzichtete er auf Massaker, ließ die jeweilige Häuptlings­familie unversehrt und ersetzte lediglich den besiegten Häuptling durch einen zur Zusammenarbeit mit ihm gewillten Verwandten des Häuptlings. Im Bereich der Konfliktregelung erweiterte Dingiswayo mit Erfolg das bestehende Gerichtswesen. Auf diese Weise gelang es ihm, 30 andere Zulu-Häuptlingsreiche zu erobern und mit seinem Reich zu vereinigen. Seine Nachfolger stärk­ten den jungen Zulu-Staat durch den weiteren Ausbau von Polizei-, Justiz- und Zeremonienwesen.
    Man könnte beliebig viele Beispiele für Staatsgründun­gen durch Eroberung nach dem Muster des Zulu-Staates anführen. So wurden Europäer im 18. und 19. Jahrhun­dert an vielen Orten der Welt Zeugen der Entstehung von Eingeborenenstaaten aus Häuptlingsreichen; darun­ter waren die polynesischen Staaten auf Hawaii und Tahi­ti, der Merina-Staat auf Madagaskar, Lesotho, Swasiland und weitere Staaten, die im südlichen Afrika neben dem Zulu-Staat entstanden, der Ashanti-Staat in Westafrika und die Staaten Ankole und Buganda in Uganda. Die Reiche der Azteken und Inkas, ebenfalls durch Erobe­rungen geschmiedet, entstanden vor Ankunft der Eu­ropäer im 15. Jahrhundert; aus mündlichen Überliefe­rungen, die von den ersten spanischen Siedlern nieder­geschrieben wurden, ist uns jedoch relativ viel über die damaligen Vorgänge bekannt. Die Gründung des rö­mischen Staates und die Expansion des makedonischen Reiches unter Alexander dem Großen wurden von zeit­genössischen Autoren ausführlich geschildert.
    Diese Beispiele zeigen, daß Krieg beziehungsweise Kriegsgefahr in den meisten, wenn nicht allen Fällen, in denen aus mehreren kleineren eine größere Gesell­schaft hervorging, eine entscheidende Rolle spielte.
    Kriege, selbst wenn sie nur zwischen kleinen Jäger-Sammler-Gruppen ausgefochten wurden, waren aber doch ein ständiger Faktor der Men schheitsgeschichte gewesen. Wie kam es dann, daß sie offenbar erst innerhalb der letzten 13 000 Jahre zur Entstehung größerer Ge­meinwesen führten? Wir hatten bereits gesehen, daß die Bildung komplexer Gesellschaften in irgendeiner Weise mit dem Faktor Bevölkerungsdruck zusammenhängt, so daß wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf einen mögli­chen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdruck und dem Ergebnis von Kriegen richten sollten. Warum führ­ten Kriege in dichtbesiedelten Regionen eher zu Ver­einigungen von Gesellschaften als in dünnbesiedelten? Die Antwort lautet, daß die Bevölkerungsdichte in ei­nem Gebiet mit darüber entscheidet, was mit besieg­ten Völkern geschieht. Drei mögliche Ergebnisse sind zu unterscheiden:
    In sehr dünn besiedelten Regionen, um die es sich gewöhnlich bei den Lebensräumen von Jäger-Sammler-Gruppen handelt, brauchen die Überlebenden einer be­siegten Gruppe lediglich weiter von ihren Feinden fort­zuziehen. Dies ist in Neuguinea und im Amazonasge­biet häufig nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Nomadengruppen zu beobachten.
    Bei mittlerer Bevölkerungsdichte, beispielsweise in den Siedlungsgebieten von Stämmen, die Landwirtschaft trei­ben, sind keine »leeren« Gebiete vorhanden, in die sich Überlebende einer besiegten Gruppe flüchten könnten. Stammesgesellschaften ohne intensive Landwirtschaft haben jedoch weder Bedarf an Sklaven, noch produzie­ren sie Nahrungsüberschüsse in genügender Menge, um nennenswerte Tribute leisten zu können. Deshalb haben die Sieger keine Verwendung für Überlebende eines be­siegten Stammes, vielleicht mit Ausnahme der Frauen, die zur Ehe genommen werden. Männer werden dage­gen getötet, woraufhin ihr Territorium von den Siegern in Besitz genommen werden kann.
    In dichtbesiedelten Gebieten, etwa denen von Staa­ten oder Häuptlingsreichen, finden die Besiegten eben­falls keinen Raum, in den sie sich zurückziehen könn­ten. Die Sieger haben nun jedoch zwei Optionen, aus ihrem Erfolg Nutzen zu ziehen, ohne die Unterlegenen zu töten. Die ökonomische Differenzierung von

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