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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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stammende Süßkar­toffel erreichte Neuguinea offenbar erst innerhalb der letzten Jahrhunderte, nachdem die Spanier sie auf den Philippinen eingeführt hatten. Einmal in Neuguinea eta­bliert, überholte die Süßkartoffel bald Taro als wichtig­stes Anbaugewächs der Hochlandbewohner. Die Grün­de dafür lagen in der kürzeren Wachs tumszeit bis zur Reife, den höheren Pro-Hektar-Erträgen und dem bes­seren Gedeihen auf schlechten Böden.
    Die Entstehung der Landwirtschaft im Hochland von Neuguinea muß vor einigen tausend Jahren eine gewal­tige Bevölkerungsexplosion ausgelöst haben, denn nach der Ausrottung der einstigen Großtierwelt aus Riesen­beuteltieren konnte diese Region nur sehr dünne Popu­lationen von Jägern und Sammlern ernähren. Zu einer weiteren Bevölkerungexplosion gab die Ankunft der Süß­kartoffel vor wenigen Jahrhunderten den Anstoß. Als Eu­ropäer in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts erstmals mit dem Flugzeug über das neuguineische Hochland flo­gen, erblickten sie zu ihrem Erstaunen unter sich eine Landschaft, die sie an Holland erinnerte. Breite Täler waren vollständig gerodet und mit vielen kleinen Dör­fern wie mit Punkten übersät; eingezäunte, entwässer­te Felder erstreckten sich in manchen Tälern von einem Rand zum anderen. Dieses Landschaftsbild kündet von der hohen Siedlungsdichte von Hochlandbauern, die nur über Steinwerkzeuge verfügten.
    Steiles Terrain, Dauerbewölkung, Malaria und die Gefahr von Dürren in tieferen Lagen bewirken, daß Landwirtschaft im neuguineischen Hochland nur in über 1200 Meter Höhe getrieben werden kann. Die­ses Gebiet ragt wie eine dichtbevölkerte Insel aus ei­nem Wolkenmeer empor. Im neuguineischen Tiefland leben die Menschen an der Küste und entlang der gro­ßen Flüsse seßhaft in Dörfern und ernähren sich haupt­sächlich von Fisch, während im dünnbesiedelten Inland Brandrodungsfeldbau mit Bananen und Jamswurzeln als Grundnahrungsmitteln betrieben wird, ergänzt durch Jagen und Sammeln. Im Unterschied dazu ziehen die Be­wohner der Sumpfgebiete als Jäger und Sammler umher und ernähren sich hauptsächlich von dem stärkehalti­gen Mark wilder Sagopalmen, eines äußerst ertragrei­chen Gewächses, das pro Arbeitsstunde eine Ernte von dreimal soviel Kalorien ermöglicht wie beim Anbau von Obst oder Gemüse. Die Sümpfe Neuguineas stehen so­mit für eine Umwelt, in der sich die Lebensweise der Jäger und Sammler behauptete, weil sie der Landwirt­schaft überlegen war.
    Die politische Organisation der Sagoesser der Tief­landsümpfe ist ein Beispiel für nomadische Jäger-Samm­ler-Gruppen, wie sie einst für alle Neuguineer typisch gewesen sein müssen. Aus den in Kapitel 12 und 13 erör­terten Gründen waren es die bäuerlichen beziehungswei­se Fischfang treibenden Völker, die komplexere Techni­ken, Gesellschaften und politische Organisationsformen entwickelten. Sie leben in festen Dörfern und Stammes­gesellschaften, häufig mit einem »Big­man« an der Spit­ze. Manche errichten große Kulthäuser mit kunstvollen Verzierungen. Ihre hölzernen Statuen und Masken wer­den auf der ganzen Welt gepriesen und in zahlreichen Museen ausgestellt.
    Neuguinea wurde somit zu dem Teil Großaustraliens, in dem die Technik, die soziale und politische Organi­sation und die Kunst den höchsten Entwicklungsstand erreichten. Aus der Sicht amerikanischer oder europä­ischer Großstädter ist Neuguinea dennoch als »primitiv« und nicht »hoch entwickelt« einzustufen. Woran lag es, daß die Neuguineer bis zuletzt nur Steinwerkzeuge be­saßen, statt metallene herzustellen? Warum blieben sie Analphabeten? Und warum gründeten sie keine Häupt­lingsreiche und Staaten? Wie wir sehen werden, standen dem eine Reihe biologischer und geographischer Fak­toren im Weg.
    Der erste hängt mit der Nahrungsproduktion zusam­men. Das neuguineische Hochland war zwar eine der Geburtsstätten der Landwirtschaft, doch die erzeugte Proteinmenge war recht gering (siehe Kapitel 7). Haupt­nahrungspflanzen waren Wurzelfrüchte mit sehr niedri­gem Eiweißgehalt, und auch die Haustierzucht (Schwei­ne und Hühner) vermochte keinen größeren Beitrag zur Eiweißversorgung der Bevölkerung zu leisten. Da sich weder Schweine noch Hühner als Zugtiere vor Wagen spannen lassen, waren die neuguineischen Hochlandbe­wohner überdies ganz auf die eigene Muskelkraft ange­wiesen. Sie konnten auch keine epidemischen Krankhei­ten entwickeln, um damit eines

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