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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Angehende Bauern im frühzeitlichen Australien wären mit ähnlichen Zyklen des Bevölkerungswachstums und -rückgangs konfron­tiert worden. Wenn sie sich in fetten Jahren in Dörfern niedergelassen, Pflanzen angebaut und sich vermehrt hätten, so wären die gewachsenen Populationen in der nächsten Dürre, in der das Land weniger Bewohner er­nähren konnte, vom Hunger dezimiert worden.
    Das zweite Haupthindernis für die Landwirtschaft in Australien war die geringe Zahl domestizierbarer Wild­pflanzen. Selbst in diesem Jahrhundert scheiterten die Versuche europäischer Pflanzengenetiker, in Australien heimische Wildpflanzen zu domestizieren – die einzige Ausnahme war die Macadamianuß. Auf der Liste aller potentiell nützlichen Getreidepflanzen der Welt, auf der die 56 großsamigsten Wildgräser verzeichnet sind, ste­hen nur zwei australische Kandidaten, und beide ran­gieren weit hinten (mit einem Körnergewicht von nur 13 Milligramm gegenüber stattlichen 40 Milligramm bei den schwersten Getreidekörnern). Das heißt nicht, daß Australien überhaupt keine potentiellen Anbaupflanzen besaß oder daß die Aborigines nie von sich aus die Land­wirtschaft eingeführt hätten. Manche Pflanzen, wie eini­ge Arten von Jamswurzeln, Taro und Pfeilwurz, werden im Süden Neuguineas angebaut, wachsen aber auch wild in Nordaustralien und werden dort von Aborigines ge­erntet. Wie wir sehen werden, schlugen die Aborigines in jenen Gebieten Australiens, in denen die klimatischen Verhältnisse am günstigsten waren, einen Weg ein, der vermutlich irgendwann zur Landwirtschaft geführt hät­te. Ihr wären aber durch den Mangel an domestizierba­ren Tieren, die geringe Zahl domestizierbarer Pflanzen und die schwierigen Böden und Klimabedingungen in jedem Fall enge Grenzen gesetzt gewesen.
    Nomadentum, Jagd- und Sammelwirtschaft und möglichst geringe Investitionen in Behausungen und Habse­ligkeiten waren eine sinnvolle Anpassung an die unbe­rechenbaren klimatischen Verhältnisse Australiens. Ver­schlechterten sich die Bedingungen an einem Ort, zog man weiter in ein Gebiet, in dem vorübergehend gün­stigere Bedingungen herrschten. Statt sich in Abhängig­keit von einer kleinen Zahl von Anbaupflanzen zu be­geben, deren Erträge in manchen Jahren vielleicht nicht ausreichen würden, hielten die Aborigines ihr Risiko so gering wie möglich, indem sie sich auf ein breites Spek­trum von Wildpflanzen und -tieren stützten, von denen kaum zu befürchten war, daß alle zur gleichen Zeit als Nahrungsquelle ausfallen würden. Sie unterhielten keine fluktuierenden Populationen, die hin und wieder durch Hunger dezimiert wurden, wenn die Natur in einem Jahr nicht genug hergab, sondern lebten in kleineren Popu­lationen, die in guten Jahren im Überfluß schwelgen, in schlechten Jahren aber immer noch genug zum Überle­ben finden konnten.
    Auch ohne Landwirtschaft im eigentlichen Sinne zu betreiben, bewirtschafteten die Aborigines ihre Umwelt und steigerten die Erträge an pflanzlicher und tierischer Nahrung, die sie ihnen bot. Zu ihren Methoden gehör­te insbesondere das regelmäßige Legen von Buschbrän­den, das mehreren Zwecken diente: Tiere wurden auf­gescheucht, die bei dem Versuch, vor dem Feuer zu flie­hen, erlegt und anschließend verspeist werden konnten; die Brände verwandelten Dickichte in offene Parkland­schaften, die Menschen leichter durchqueren konnten; Parklandschaften bildeten zudem einen idealen Lebens­raum für Känguruhs, das wichtigste Wild, das in Austra­lien gejagt werden kann; außerdem forderten die Brände das Wachstum von neuem Gras, einer Hauptnahrung der Känguruhs, und auch von Farnwurzeln, einer Nah­rungsquelle der Aborigines.
    In unserer Vorstellung sind die australischen Aborigi­nes Geschöpfe der Wüste, doch für die meisten von ih­nen traf das gar nicht zu. Vielmehr schwankte ihre ört­liche Bevölkerungsdichte mit der Niederschlagsmenge (da von ihr die Menge pflanzlicher und tierischer Nah­rung, die in der Natur zu finden ist, bestimmt wird) und der Menge an Nahrung im Meer, in Flüssen und Seen. Am dichtesten besiedelt waren die niederschlagsreich­sten, fruchtbarsten Regionen Australiens: das Stromsy­stem von Murray und Darling im Südosten, die Ost- und Nordküste und der Südwestzipfel. In diesen Gebieten erreichte auch die Besiedlung durch weiße Europäer in der jüngeren australischen Geschichte ihre größte Dich­te. Der Grund, warum die Aborigines für uns

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