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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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blieb als dritter Nach­bar nur noch die Inselwelt Ostindonesiens übrig. Doch auch diese Region war als Heimat von Jäger- und Samm­lergesellschaften die meiste Zeit der Geschichte kultu­relle Provinz. So ist kein einziger Gegenstand bekannt, der nach der anfänglichen Besiedlung Neuguineas vor über 40 000 Jahren nachweislich den Weg über Indone­sien nach Neuguinea fand, bevor um 1600 v. Chr. die austronesische Expansion begann.
    Im Zuge dieser Ausbreitungsbewegung wurde Indo­nesien von Landwirtschaft treibenden Völkern asiati­scher Herkunft in Besitz genommen, die Haustiere, Ackerbau und technische Errungenschaften mitbrachten, die mindestens dem damaligen Niveau Neuguineas ent­sprachen. Sie hatten auch Navigationskenntnisse, die ih­nen die Überfahrt von Asien nach Neuguinea erleich­terten. Austronesier besiedelten Inseln westlich, nörd­lich und östlich von Neuguinea, ließen sich aber auch am Westzipfel sowie an der Nord- und Südostküste von Neuguinea selbst nieder. Im Gepäck hatten sie Töpferwa­ren sowie Hühner und vermutlich Hunde und Schwei­ne. (Bei älteren archäologischen Untersuchungen stieß man im Hochland von Neuguinea angeblich auf Schwei­neknochen, die aus der Zeit um 4000 v. Chr. stammen sollen, doch diese Funde konnten nie bestätigt werden.) Mindestens während der letzten Jahrtausende unterhielt Neuguinea Handelsbeziehungen mit den technisch weit höher entwickelten Gesellschaften Javas und Chinas. Im Tausch gegen Federn von Paradiesvögeln und Gewürze gelangten diverse Güter aus Südostasien nach Neugui­nea, darunter solche Kostbarkeiten wie Bronzetrommeln aus Dongson und chinesisches Porzellan.
    Mit der Zeit hätte die austronesische Expansion auf Neuguinea sicher immer stärkere Veränderungen gezei­tigt. Der Westteil Neuguineas wäre vermutlich irgend­wann in die Sultanate des östlichen Indonesien einge­gliedert worden, und wahrscheinlich hätten Metallwerk­zeuge den Weg über Ostindonesien nach Neuguinea gefunden. Das alles lag aber noch in der Zukunft, als 1511 die Portugiesen auf den Molukken landeten und Indonesiens eigenständige Entwicklung vorzeitig been­deten. Als wenig später auch in Neuguinea Europäer eintrafen, lebten dessen Bewohner noch in Nomaden­gruppen oder Dörfern, die erbittert ihre Unabhängigkeit verteidigten, und besaßen nur Steinwerkzeuge.
    Im Gegensatz zum neuguineischen Teil Großaustrali­ens blieb die Erfindung von Tierhaltung und Ackerbau im australischen Teil aus. Während der Eiszeiten hat­ten in Australien weit mehr große Beuteltiere gelebt als in Neuguinea, unter anderem Diprotodonten (das Beu­teltier-Pendant zu Kühen und Nashörnern), Riesenkän­guruhs und Riesenwombats. Doch all diese Beuteltie­re, die Kandidaten für die Tierhaltung hätten werden können, verschwanden während des massenhaften Ar­tensterbens, das mit der Besiedlung Australiens durch den Menschen einherging. Danach besaß Australien ebenso wie Neuguinea keine domestizierbaren heimi­schen Säugetiere mehr. Das einzige domestizierte Säu­getier, das in Australien von außen übernommen wur­de, war der Hund, der um 1500 v. Chr. von Asien kam (vermutlich an Bord austronesischer Kanus) und in der australischen Wildnis als Dingo heimisch wurde. Au­stralische Aborigines hielten Dingos als treue Gefähr­ten, Wachhunde und sogar als lebende Decken für küh­le Nächte. Anders als die Polynesier aßen sie aber kein Hundefleisch, und sie richteten auch keine Hunde zum Jagen ab, wie es die Neuguineer taten.
    Chancenlos war auch der Ackerbau in Australien, das nicht nur die geringsten Niederschlagsmengen erhält, sondern auch von allen Kontinenten die unfruchtbarsten Böden besitzt. Hinzu kommt, daß Australien als einzi­ger Kontinent stark unter dem klimabestimmenden Ein­fluß von »El Niño« steht, einem atmosphärischen und ozeanischen Phänomen des Pazifiks. »El Niño« weist im Gegensatz zu den uns vertrauten regelmäßig wiederkeh­renden Jahreszeiten einen unregelmäßigen mehrjähri­gen Zyklus auf. Unvorhersehbare schwere Dürreperi­oden können mehrere Jahre dauern, unterbrochen von ebenso unvorhersehbaren sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen. Noch heute ist die Landwirt­schaft in Australien ein riskantes Unternehmen – trotz europäischer Anbaupflanzen und moderner Transport­mittel für landwirtschaftliche Erzeugnisse. In guten Jah­ren wachsen die Herden, um dann von der nächsten Dür­re wieder dezimiert zu werden.

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