Arm und Reich
offenes, trockenes Waldland.
Seinen Vulkanen und Gletschern, die im Wechsel vorrückten und sich zurückzogen und dabei den Boden des Hochlands abtrugen, sowie den Flüssen und Bächen, die riesige Mengen Schlamm vom Gebirge ins Tiefland transportierten und dort ablagerten, verdankt Neuguinea eine Schicht jungen, fruchtbaren Bodens. Australien besitzt demgegenüber von allen Kontinenten die bei weitem ältesten, unfruchtbarsten und ausgelaugtesten Böden, was auf den geringen Vulkanismus und das Fehlen hoher Berge und Gletscher zurückzuführen ist. In Neuguinea, das flächenmäßig zehnmal kleiner ist als Australien, trifft man ungefähr die gleiche Anzahl von Säugetier- und Vogelarten wie in Australien – eine Folge der äquatornahen Lage, der hohen Niederschlagsmengen, der vielfältigeren Höhenlagen und der größeren Fruchtbarkeit. All diese Unterschiede in den Umweltbedingungen beeinflußten die sehr unterschiedliche Kulturgeschichte der beiden Teilkontinente, die uns als nächstes beschäftigen soll.
Die älteste und intensivste Landwirtschaft Großaustraliens sowie die dichtesten Populationen waren in den Hochlandtälern von Neuguinea in Höhenlagen zwischen 1200 und 2700 Metern ü.d.M. angesiedelt. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden komplizierte, bis zu 9000 Jahre alte Entwässerungssysteme entdeckt, die vor 6000 Jahren in großem Stil auftauchten; man stieß auch auf Terrassen, die in trockeneren Gebieten zur Zurückhaltung der Bodenfeuchtigkeit dienten. Die Grabensysteme ähnelten denen, die noch heute im neuguineischen Hochland zur Sumpftrockenlegung für den Obst- und Gemüseanbau verwendet werden. Pollenanalysen ergaben, daß in den Hochlandtälern vor 5000 Jahren große Flächen entwaldet waren, was auf landwirtschaftliche Rodungen schließen läßt.
Haupterzeugnisse der bäuerlichen Hochlandbewohner sind heute Taro, Bananen, Jamswurzeln, Zuckerrohr, Gräser mit eßbaren Stengeln, mehrere Sorten Blattgemüse und die erst in jüngerer Vergangenheit eingeführte Süßkartoffel. Da Taro, Bananen und Jamswurzeln in Südostasien, einer unumstrittenen Stätte der Pflanzendomestikation, heimisch sind, nahm man früher an, daß alle Kulturpflanzen des neuguineischen Hochlands mit Ausnahme der Süßkartoffel asiatischer Herkunft sind. Nach und nach fand man jedoch heraus, daß es sich bei den wilden Vorfahren von Zuckerrohr, Blattgemüse und den Gräsern mit eßbaren Stengeln um neuguineische Arten handelt, daß die wilden Vorfahren der in Neuguinea angebauten Bananensorten aus Neuguinea und nicht aus Asien stammten und daß Taro und einige Jamswurzelarten sowohl in Neuguinea als auch in Asien heimisch sind. Würde die neuguineische Landwirtschaft ihre Entstehung tatsächlich Importen aus Asien verdanken, so wäre zu erwarten gewesen, daß wenigstens einige Kulturpflanzen des neuguineischen Hochlands eindeutig aus Asien stammten, was nicht der Fall ist. Deshalb wird inzwischen allgemein davon ausgegangen, daß die Landwirtschaft im neuguineischen Hochland durch Domestikation neuguineischer Wildpflanzen unabhängig entstand.
Neuguinea gehört damit neben dem Fruchtbaren Halbmond, China und einer kleinen Zahl weiterer Regionen zu den frühen Zentren der Pflanzendomestikation. Von den Kulturpflanzen, die vor 6000 Jahren im neuguineischen Hochland angebaut wurden, kamen an archäologischen Fundstätten bisher keine Überreste zum Vorschein. Das überrascht aber nicht, da es sich auch bei den heutigen Hauptanbaugewächsen des Hochlands um Arten handelt, die nur unter außergewöhnlichen Umständen für Archäologen sichtbare Spuren hinterlassen. Es ist deshalb anzunehmen, daß einige von ihnen auch zu den ältesten Kulturpflanzen Neuguineas zählten. Gestützt wird diese Vermutung durch die große Ähnlichkeit der erhaltenen frühzeitlichen Entwässerungssysteme mit denen, die heute zum Anbau von Taro angelegt werden.
Die drei eindeutig fremden Elemente in der neuguineischen Landwirtschaft waren nach Berichten der ersten europäischen Entdecker Hühner, Schweine und Süßkartoffeln. Huhn und Schwein wurden in Südostasien domestiziert und gelangten vor etwa 3600 Jahren mit den Austronesiern, einem ursprünglich in Südchina beheimateten Volk, das uns in Kapitel 16 näher beschäftigen wird, nach Neuguinea und zu den meisten anderen Pazifikinseln. (Schweine könnten schon früher dort eingetroffen sein.) Die aus Südamerika
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