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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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offenes, trockenes Waldland.
    Seinen Vulkanen und Gletschern, die im Wechsel vor­rückten und sich zurückzogen und dabei den Boden des Hochlands abtrugen, sowie den Flüssen und Bächen, die riesige Mengen Schlamm vom Gebirge ins Tiefland transportierten und dort ablagerten, verdankt Neugui­nea eine Schicht jungen, fruchtbaren Bodens. Australi­en besitzt demgegenüber von allen Kontinenten die bei weitem ältesten, unfruchtbarsten und ausgelaugtesten Böden, was auf den geringen Vulkanismus und das Feh­len hoher Berge und Gletscher zurückzuführen ist. In Neuguinea, das flächenmäßig zehnmal kleiner ist als Australien, trifft man ungefähr die gleiche Anzahl von Säugetier- und Vogelarten wie in Australien – eine Folge der äquatornahen Lage, der hohen Niederschlagsmengen, der vielfältigeren Höhenlagen und der größeren Frucht­barkeit. All diese Unterschiede in den Umweltbedin­gungen beeinflußten die sehr unterschiedliche Kultur­geschichte der beiden Teilkontinente, die uns als näch­stes beschäftigen soll.
    Die älteste und intensivste Landwirtschaft Großaustra­liens sowie die dichtesten Populationen waren in den Hochlandtälern von Neuguinea in Höhenlagen zwi­schen 1200 und 2700 Metern ü.d.M. angesiedelt. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden komplizier­te, bis zu 9000 Jahre alte Entwässerungssysteme ent­deckt, die vor 6000 Jahren in großem Stil auftauchten; man stieß auch auf Terrassen, die in trockeneren Gebie­ten zur Zurückhaltung der Bodenfeuchtigkeit dienten. Die Grabensysteme ähnelten denen, die noch heute im neuguineischen Hochland zur Sumpftrockenlegung für den Obst- und Gemüseanbau verwendet werden. Pol­lenanalysen ergaben, daß in den Hochlandtälern vor 5000 Jahren große Flächen entwaldet waren, was auf landwirtschaftliche Rodungen schließen läßt.
    Haupterzeugnisse der bäuerlichen Hochlandbewoh­ner sind heute Taro, Bananen, Jamswurzeln, Zuckerrohr, Gräser mit eßbaren Stengeln, mehrere Sorten Blattge­müse und die erst in jüngerer Vergangenheit eingeführ­te Süßkartoffel. Da Taro, Bananen und Jamswurzeln in Südostasien, einer unumstrittenen Stätte der Pflanzen­domestikation, heimisch sind, nahm man früher an, daß alle Kulturpflanzen des neuguineischen Hochlands mit Ausnahme der Süßkartoffel asiatischer Herkunft sind. Nach und nach fand man jedoch heraus, daß es sich bei den wilden Vorfahren von Zuckerrohr, Blattgemü­se und den Gräsern mit eßbaren Stengeln um neuguin­eische Arten handelt, daß die wilden Vorfahren der in Neuguinea angebauten Bananensorten aus Neuguinea und nicht aus Asien stammten und daß Taro und einige Jamswurzelarten sowohl in Neuguinea als auch in Asi­en heimisch sind. Würde die neuguineische Landwirt­schaft ihre Entstehung tatsächlich Importen aus Asien verdanken, so wäre zu erwarten gewesen, daß wenig­stens einige Kulturpflanzen des neuguineischen Hoch­lands eindeutig aus Asien stammten, was nicht der Fall ist. Deshalb wird inzwischen allgemein davon ausgegan­gen, daß die Landwirtschaft im neuguineischen Hoch­land durch Domestikation neuguineischer Wildpflan­zen unabhängig entstand.
    Neuguinea gehört damit neben dem Fruchtbaren Halb­mond, China und einer kleinen Zahl weiterer Regionen zu den frühen Zentren der Pflanzendomestikation. Von den Kulturpflanzen, die vor 6000 Jahren im neuguinei­schen Hochland angebaut wurden, kamen an archäologi­schen Fundstätten bisher keine Überreste zum Vorschein. Das überrascht aber nicht, da es sich auch bei den heu­tigen Hauptanbaugewächsen des Hochlands um Arten handelt, die nur unter außergewöhnlichen Umständen für Archäologen sichtbare Spuren hinterlassen. Es ist des­halb anzunehmen, daß einige von ihnen auch zu den äl­testen Kulturpflanzen Neuguineas zählten. Gestützt wird diese Vermutung durch die große Ähnlichkeit der erhal­tenen frühzeitlichen Entwässerungssysteme mit denen, die heute zum Anbau von Taro angelegt werden.
    Die drei eindeutig fremden Elemente in der neuguin­eischen Landwirtschaft waren nach Berichten der ersten europäischen Entdecker Hühner, Schweine und Süßkar­toffeln. Huhn und Schwein wurden in Südostasien do­mestiziert und gelangten vor etwa 3600 Jahren mit den Austronesiern, einem ursprünglich in Südchina behei­mateten Volk, das uns in Kapitel 16 näher beschäftigen wird, nach Neuguinea und zu den meisten anderen Pa­zifikinseln. (Schweine könnten schon früher dort einge­troffen sein.) Die aus Südamerika

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