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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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den ersten Siedlern um eine einzige schwangere Frau mit einem männlichen Fötus im Leib handeln können. Die Verfechter dieser Zufallstheorie mußten sich jedoch von neueren Entdeckungen überraschen lassen, die ergaben, daß kurz nach der Besiedlung Neuguineas noch ande­re, weiter östlich gelegene Inseln vor ca. 36 000 Jahren von Menschen in Besitz genommen wurden: Neubritan­nien und Neuirland im Bismarckarchipel und die Insel Buka im Salomonarchipel. Buka liegt außer Sichtweite seiner Nachbarinsel im Westen und konnte nur durch Überquerung von rund 150 Kilometer offenem Meer er­reicht werden. Daraus folgt, daß die ersten Australier und Neuguineer wahrscheinlich in der Lage waren, ge­zielte Reisen über das Wasser zu unternehmen, um in Sichtweite gelegene Inseln zu erreichen. Außerdem dürf­ten sie häufig genug mit Flößen oder einfachen Booten hinaus aufs Meer gefahren sein, um wiederholt auch au­ßer Sichtweite liegende Inseln durch Zufall zu entdecken und zu besiedeln.
    Womöglich war die Besiedlung von Australien/Neu­guinea, neben den ersten Ausflügen über das Meer und der ersten Ausweitung unseres Lebensraums seit der Besiedlung Eurasiens, mit einer weiteren Premiere ver­bunden: der ersten Massenausrottung von Großtierarten durch den Menschen. Heute gilt Afrika als Kontinent der Großtiere schlechthin. In Eurasien gab es jedoch bis in die Neuzeit ebenfalls eine Vielzahl von Großtierar­ten, wenn auch nicht in solcher Fülle wie in der afrika­nischen Serengeti. So wurden in Asien Nashörner, Ele­fanten und Tiger angetroffen, in Europa Elche, Bären und (bis in die Antike) Löwen. Australien und Neugui­nea können heutzutage keine vergleichbar großen Säu­getierarten vorweisen – die größte sind wohl rund 100 Pfund schwere Känguruhs. In früheren Zeiten hatte der Kontinent Australien/Neuguinea jedoch sein eigenes En­semble von Großtieren, darunter Riesenkänguruhs, nas­hornähnliche Beuteltiere mit der Bezeichnung Diprot­odonten, die so groß wie eine Kuh werden konnten, und sogar ein Beutel-»Leopard«. Außerdem lebten dort einst 400 Pfund schwere flugunfähige Vögel, die Straußen äh­nelten, sowie Reptilien von imposanter Größe, beispiels­weise eine Eidechse, die um eine Tonne wog, eine Rie­senpython und Landkrokodile.
    All diese australisch/neuguineischen Großtiere (die sogenannte Megafauna) verschwanden nach der Ankunft des Menschen. Während über den genauen Zeitpunkt ihres Aussterbens noch gestritten wird, sind inzwischen mehrere archäologische Fundstätten in Australien, die mehrere Jahrzehntausende abdecken, sorgfältig freige­legt worden. Unter den Bergen von Tierknochen, die dabei zum Vorschein kamen, fand sich für den Zeit­raum der letzten 35 000 Jahre keine Spur der ausgestor­benen Großtiere. Demnach dürfte die Megafauna bald nach dem Eintreffen des Menschen in Australien aus­gestorben sein.
    Das nahezu gleichzeitige Verschwinden so zahlreicher Großtierarten wirft natürlich die Frage nach der Ursa­che auf. Eine naheliegende Antwort wäre, daß sie von den ersten Menschen, die den Kontinent betraten, ge­tötet oder auf indirekte Weise ausgerottet wurden. Man vergegenwärtige sich, daß die Evolution der Tierwelt von Australien/Neuguinea über Jahrmillionen in Abwesen­heit menschlicher Jäger stattgefunden hatte. Wir wis­sen, daß die Vögel der Galapagosinseln ebenso wie die Vögel und Säugetiere der Antarktis, die erst in jüngerer Vergangenheit Bekanntschaft mit dem Menschen mach­ten, noch heute unbeirrbar zahm sind. Hätten Natur­schützer nicht durch rasches Handeln für ihren Schutz gesorgt, wären sie längst ausgestorben. Auf anderen erst in historischer Zeit entdeckten Inseln, wo solche Schutz­maßnahmen nicht ergriffen wurden, kam es denn auch wiederholt zu Ausrottungen. Unter den Opfern war zum Beispiel die Dronte auf Mauritius, die zu so etwas wie ei­nem Symbol des Artensterbens geworden ist. Man weiß inzwischen auch, daß auf jeder näher untersuchten, in prähistorischer Zeit besiedelten Meeresinsel die Besitz­ergreifung durch den Menschen mit einem plötzlichen Artensterben einherging, und zwar ohne Ausnahme. Zu den Opfern zählten die Moas von Neuseeland, die Rie­senlemuren von Madagaskar und die großen flugun­fähigen Gänse von Hawaii, um nur einige Beispiele zu nennen. Ganz genauso, wie Menschen in jüngerer Ver­gangenheit seelenruhig auf zahme Dodos und Inselrob­ben zugehen und sie abschlachten konnten, taten es

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