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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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dauerhaft in Australien nieder, was sicher daran lag, daß der Teil Nordwestaustraliens, der Indo­nesien am nächsten liegt, für ihre Form der Landwirt­schaft viel zu trocken war. Wären die tropischen Regen­wälder und Savannen Nordostaustraliens Indonesien am nächsten gewesen, so hätten die Makassaren dort siedeln können, doch es spricht nichts dafür, daß sie je so weit fuhren. Da die Makassaren nur in kleiner Zahl kamen, nie sehr lange blieben und nicht ins Inland vordrangen, beschränkten sich ihre Kontakte auf wenige Gruppen von Australiern, die sie an einem kurzen Abschnitt der Küste antrafen. Selbst diese wenigen Aborigines lernten nur einen kleinen Ausschnitt der makassischen Kultur und Technik kennen, nicht aber deren ganze Bandbrei­te mit Reisfeldern, Schweinen, Dörfern und Werkstätten. Da die Australier die nomadische Jagd- und Sammelwirt­schaft beibehielten, eigneten sie sich nur die wenigen Ge­genstände und Bräuche der Makassaren an, die zu ihrer Lebensweise paßten. Pfeifen und Einbaumkanus mit Se­geln: ja, Schmiedeöfen und Schweine: nein.
    Noch verblüffender als der schwache indonesische Ein­fluß auf die Australier erscheint der geringe Einfluß Neu­guineas. Auf der neuguineischen Seite der schmalen Tor­resstraße lebten neuguineische Bauern, die neuguinei­sche Sprachen sprachen und Schweine, Töpferwaren und Pfeil und Bogen besaßen; am anderen Ufer lebten au­stralische Jäger und Sammler mit australischen Sprachen, die weder Schweine noch Töpferwaren oder Pfeil und Bogen besaßen. Dabei ist die Torresstraße keine breite geschlossene Wasserfläche, sondern mit Inseln übersät, von denen die größte, Muralug, nur 15 Kilometer von der australischen Küste entfernt liegt. Regelmäßige Han­delskontakte verbanden Australien mit den Inseln und die Inseln mit Neuguinea. Zahlreiche Aborigines-Frau­en kamen als Ehefrauen auf die Insel Muralug, wo sie Gärten sahen und Pfeil und Bogen kennenlernten. Wie kam es, daß diese Errungenschaften der neuguineischen Kultur nicht den Weg nach Australien fanden?
    Daß die Torresstraße eine kulturelle Barriere darstell­te, ist nur verwunderlich, wenn man sich fälschlicher­weise eine voll entwickelte neuguineische Gesellschaft mit Schweinen und intensiver Landwirtschaft 15 Kilo­meter vor der australischen Küste vorstellt. Die Reali­tät sah anders aus. Die Aborigines von Kap York beka­men niemals einen Neuguineer vom Festland zu Ge­sicht. Handel wurde statt dessen zwischen Neuguinea und den dicht vor der neuguineischen Küste gelegenen Inseln getrieben, dann zwischen diesen Inseln und der Insel Mabuiag in der Mitte der Torresstraße, weiter zwi­schen Mabuiag und der etwas näher an Australien ge­legenen Insel Badu, von dort mit Muralug und schließ­lich zwischen Muralug und Kap York.
    Von jeder Insel zur nächsten wurde die neuguineische Kultur etwas mehr verwässert. Schweine waren auf den meisten Inseln nur vereinzelt oder gar nicht anzutref­fen. Die Bewohner des Küstentieflands im Süden Neu­guineas trieben keine intensive Landwirtschaft wie die Hochlandbewohner, sondern lebten von Brandrodungs­feldbau, ergänzt durch Fischfang, Jagen und Sammeln. Auf dem Weg vom Süden Neuguineas nach Australien verlor selbst der Brandrodungsfeldbau von Insel zu Insel an Bedeutung. Muralug, die Australien am nächsten ge­legene Insel, war trocken, für landwirtschaftliche Zwecke kaum geeignet und nur spärlich besiedelt. Ihre weni­gen Bewohner ernährten sich vor allem von Fisch, wil­den Jamswurzeln und Mangrovenfrüchten.
    Was an der Torresstraße, der Nahtstelle zwischen Neu­guinea und Australien, geschah, erinnert an das Kin­derspiel »Stille Post«, bei dem die Mitspieler einen Kreis bilden und das erste Kind seinem Nachbarn ein Wort ins Ohr flüstert, das wiederum das, was es gehört zu ha­ben glaubt, dem nächsten Kind zuflüstert, bis schließ­lich das letzte dem ersten Kind etwas ins Ohr flüstert, das zur Belustigung aller mit demursprünglichen Wort kaum noch Ähnlichkeit hat. Auf die gleiche Weise wies auch das, was schließlich bei den Aborigines von Kap York ankam, nur noch eine schwache Ähnlichkeit mit der neuguineischen Kultur auf. Man darf sich die Be­ziehungen zwischen den Bewohnern Muralugs und Kap Yorks auch nicht als Zustand dauernder Harmonie vor­stellen, so als ob die Aborigines stets eifrig bemüht ge­wesen wären, bei ihren insulanischen Lehrern Nach­hilfeunterricht in Kultur zu nehmen. Vielmehr gab es

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