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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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gehen. Ganz anders kam es im westlichen Teil Neuguineas, den 1963 Indonesien von Holland übernahm und sich später als Provinz Irian Jaya eingliederte. Heute wird die Provinz von Indone­siern – und im Interesse von Indonesiern – verwaltet. Die ländliche Bevölkerung besteht immer noch in der großen Mehrzahl aus Neuguineern, doch in den Städ­ten leben, bedingt durch die Zuwanderungsprogramme der indonesischen Regierung, vor allem Indonesier. We­gen ihrer langen Bekanntschaft mit Malaria und ande­ren tropischen Krankheiten, die sie mit den Neuguine­ern teilen, gibt es für die Indonesier keine ähnlich wirk­same Krankheitsbarriere wie für Europäer. Zudem sind die Zuwanderer aus Indonesien besser darauf vorberei­tet, sich in Neuguinea mit Nahrung zu versorgen, da sie mit Bananen, Süßkartoffeln und anderen wichtigen An­baugewächsen der neuguineischen Landwirtschaft von ihrer Heimat her vertraut sind. Was sich heute in Irian Jaya abspielt, ist die Fortsetzung der austronesischen Ex­pansion, die Neuguinea vor 3500 Jahren erreichte und die heute mit der geballten Kraft eines zentralistischen Staatswesens vorangetrieben wird. Schließlich sind die Indonesier nichts anderes als moderne Austronesier.
    Aus den gleichen Gründen, die ich eben für Neugui­nea skizziert habe, wurde Australien von Europa kolo­nisiert und nicht umgekehrt. Die Schicksale der Neu­guineer und der australischen Aborigines waren jedoch sehr unterschiedlich. Australien wird heute von 20 Mil­lionen Nichtaborigines bewohnt und regiert. Die mei­sten von ihnen sind europäischer Abstammung; seit Australien 1973 seine Politik des »White Australia« auf­gab, kommen zunehmend auch Einwanderer aus Asi­en ins Land. Die Aborigines-Bevölkerung schrumpfte dagegen um 80 Prozent: von rund 300 000 zu Beginn der europäischen Besiedlung auf einen Tiefstand von 60 000 im Jahr 1921. Heute bilden die Aborigines die unterste Schicht der australischen Gesellschaft. Viele leben in Missionsstationen oder Reservaten. Oder sie arbeiten als Viehhirten für weiße Farmer. Wie kam es, daß die Aborigines ein so viel schlechteres Los traf als die Neuguineer?
    Der Hauptgrund war die Eignung einiger Gebiete Au­straliens für Ackerbau und Viehzucht nach europäischem Muster sowie für die Besiedlung durch Europäer; hinzu kam die Wirksamkeit europäischer Schußwaffen, Krank­heitserreger und Techniken bei der Vertreibung der Abo­rigines aus Gebieten, die von den Europäern beansprucht wurden. Ich hatte zuvor auf das ungünstige Klima und die schlechten Böden Australiens hingewiesen; die frucht­barsten Regionen des Kontinents sind indes für die land­wirtschaftliche Nutzung im europäischen Stil durchaus geeignet. Heute überwiegen in der gemäßigten Klimazo­ne Australiens die europäischen Kulturpflanzen Weizen (das führende Anbaugewächs Australiens), Gerste, Hafer, Äpfel und Weinbeeren sowie Sorghum und Baumwolle aus der afrikanischen Sahelzone und Kartoffeln aus den Anden. In den tropischen Regionen im Nordosten Au­straliens (Queensland), die für Anbaupflanzen vordera­siatischen Ursprungs keine günstigen Bedingungen bie­ten, führten europäische Bauern Zuckerrohr aus Neu­guinea, Bananen und Zitrusfrüchte aus Südostasien und Erdnüsse aus den südamerikanischen Tropen ein. Eurasi­sche Schafe ermöglichten die Ausdehnung der Landwirt­schaft auch auf Trockengebiete, die für Ackerbau nicht in Frage kommen, während in feuchteren Gebieten eurasi­sche Rinder neben den Äckern weiden.
    Somit mußte die Entstehung der Landwirtschaft in Australien auf die Ankunft fremder Anbaupflanzen und Tiere warten, domestiziert in Regionen mit ähnlichen klimatischen Verhältnissen. Diese lagen zu weit entfernt, als daß ihre Pflanzen und Tiere nach Australien hätten gelangen können, bevor sie im Bauch großer Schif­fe dorthin gebracht wurden. Anders als in Neuguinea gab es in den meisten Teilen Australiens keine Krank­heiten, die gefährlich genug waren, um Europäer fernzu­halten. Nur im tropischen Norden des Kontinents zwan­gen Malaria und andere Tropenkrankheiten Europäer im 19. Jahrhundert zur Aufgabe von Siedlungsversuchen – sie gelangen erst im 20. Jahrhundert nach Fortschrit­ten in der Medizin.
    Daß die Aborigines den Europäern und ihrer Land­wirtschaft im Wege standen, resultiert schon daraus, daß die für Ackerbau und Viehzucht am besten geeigneten Gebiete zunächst auch die dichtesten Populationen ein­heimischer Jäger und

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