Arm und Reich
Eisenverhüttungstechniken von denen des Mittelmeerraums stark unterschieden. So verstanden sich afrikanische Dorfschmiede womöglich schon 2000 Jahre vor der Einführung von Bessemer-Schmelzöfen in Europa und Amerika im 19. Jahrhundert darauf, in ihren Schmelzöfen so hohe Temperaturen zu erzeugen, daß sie darin Stahl herstellen konnten.
Abbildung 18.4 Ungefährer Verlauf der Expansion von Sprechern von Bantu-Sprachen, deren Heimat im Nordwesten des heutigen Bantu-Gebiets lag, im östlichen und südlichen Afrika zwischen 3000 v. Chr. und 500 n. Chr .
Nachdem sich nun auch Eisenwerkzeuge an die Seite ihrer feuchtigkeitsliebenden Kulturpflanzen gesellt hatten, verfügten die Bantu über eine militärischindustrielle Ausstattung, mit der sie im damaligen Afrika südlich des Äquators nicht mehr aufzuhalten waren. In Ostafrika mußten sie sich noch gegen zahlreiche nilosaharische und afroasiatische Bauernvölker behaupten, die Eisenwerkzeuge besaßen wie sie. Doch nach Süden erstreckte sich ein riesiges, dünnbesiedeltes Gebiet über eine Entfernung von mehr als 3000 Kilometern. Die dort lebenden Khoisan-Völker besaßen weder Eisenwerkzeuge noch Anbaupflanzen. Es dauerte nur wenige Jahrhunderte, bis die Bantu-Bauern in einem der rasantesten Kolonisierungszüge der neueren Vorgeschichte bis nach Natal an der Ostküste des heutigen Südafrika vorgestoßen waren.
Man läuft leicht Gefahr, dieses Geschehen, bei dem es sich zweifellos um eine rasche Expansion mit dramatischen Folgen handelte, in grober Vereinfachung so darzustellen, als seien alle Khoisan, die den Bantu im Wege standen, von ihren anstürmenden Horden niedergetrampelt worden. Die Realität war sicher komplizierter. Die Khoisan-Völker des südlichen Afrika waren schon mehrere Jahrhunderte vor dem Bantu-Vorstoß im Besitz von Schafen und Rindern. Die ersten Bantu-Pioniere, vermutlich wenige an der Zahl, suchten sich Gebiete mit Feuchtwäldern, die für ihre auf Jamswurzeln basierende Landwirtschaft geeignet waren. Dabei »übersprangen« sie trockenere Gebiete, in denen die von der Viehzucht und vom Jagen und Sammeln lebenden Khoisan ungestört blieben. Zweifellos entstanden zwischen Khoisan und Bantu, die, ähnlich wie Pygmäen und Bantu noch heute in Äquatorialafrika, zwar Nachbarn waren, aber jeweils unterschiedliche ökologische Lebensräume bewohnten, auch Handels- und Heiratsbeziehungen. Erst allmählich, als sich die Zahl der Bantu vervielfachte und sie begannen, Vieh zu züchten und an Trockenheit gewöhnte Getreidearten anzubauen, drangen sie auch in die Gebiete zwischen den niederschlagsreicheren Regionen vor. Das Ergebnis war letzten Endes das gleiche: Bantu-Bauern nahmen den größten Teil der angestammten Khoisan-Gebiete in Besitz, und die ehemaligen Bewohner hinterließen nur Spuren in Form von Schnalzlauten in manchen Nicht-Khoisan-Sprachen, vergrabenen Skeletten und Knochenwerkzeugen, die der Entdeckung durch Archäologen harren, und der an Khoisan erinnernden körperlichen Erscheinung einiger Bantu-Völker im südlichen Afrika.
Was mit all jenen verschwundenen Khoisan-Populationen genau geschah, wissen wir nicht. Mit Gewißheit können wir bloß sagen, daß Gebiete, in denen Khoisan-Völker lange gelebt hatten, vielleicht Zehntausende von Jahren, heute von Bantu bewohnt sind. Wir können nur versuchen zu erraten, was sich damals abspielte, indem wir anschauen, was in der jüngeren Vergangenheit in vergleichbaren Situationen passierte, wenn stahlgerüstete weiße Bauern auf Jäger und Sammler stießen, die nur Steinwerkzeuge besaßen, beispielsweise australische Aborigines oder kalifornische Indianer. Wir wissen, daß diese Zusammenstöße für die Jäger und Sammler innerhalb kurzer Zeit das Ende bedeuteten: Sie wurden von ihrem Land verjagt, die Männer wurden getötet oder zu Sklaven gemacht, die Frauen geraubt, und beide Geschlechter fielen Krankheiten zum Opfer, die die bäuerlichen Eindringlinge einschleppten. Ein Beispiel für eine solche Krankheit ist in Afrika die Malaria; sie wird von Mücken übertragen, deren Brutstätten in der Nähe von Dörfern liegen. Die anrückenden Bantu hatten bereits erbliche Abwehrkräfte gegen die Malaria entwickelt, die Khoisan aber vermutlich noch nicht.
Abbildung 18.1, in der die Verteilung menschlicher Populationen in Afrika um 1400 n. Chr. dargestellt ist, zeigt jedoch, daß nicht alle Khoisan von Bantu überrannt
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