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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ostafrika­nischen Handelswege befuhren. Ganz ist das Rätsel um die verblüffendste Tatsache der menschlichen Siedlungs­geographie also immer noch nicht gelöst.
    Und was können wir von der Archäologie über die an­dere große Völkerverschiebung der jüngeren afrika­nischen Vorgeschichte erfahren – die Bantu-Expan­sion? Wie wir aus Erkenntnissen über heutige Völker und ihre Sprachen wissen, war Afrika südlich der Saha­ra nicht immer schwarz, wie es heute unserer Vorstel­lung entspricht. Vielmehr haben wir Anlaß zu der Ver­mutung, daß Pygmäen einst in den Regenwäldern Zentralafrikas und Khoisan-Völker in trockeneren Teilen Afrikas südlich der Sahara weit verbreitet waren. Kann die Archäologie diese Annahmen wohl bestätigen oder widerlegen?
    Im Fall der Pygmäen lautet die Antwort »noch nicht«, da Archäologen erst noch alte menschliche Skelette in den zentralafrikanischen Regenwäldern entdecken müs­sen. Für die Khoisan kann die Frage dagegen mit »Ja« beantwortet werden. In Sambia, nördlich des neuzeit­lichen Khoisan-Verbreitungsgebiets, fanden Archäolo­gen Skelette von Menschen, die Ähnlichkeit mit mo­dernen Khoisan aufweisen, sowie Steinwerkzeuge, die denen vergleichbar sind, die Angehörige von Khoisan-Völkern im südlichen Afrika noch anfertigten, als die ersten Europäer eintrafen.
    Wie kam es aber zur Verdrängung jener nördlichen Khoisan durch Bantu? Archäologische und linguistische Indizien deuten darauf hin, daß die Expansion bäuerli­cher Bantu-Sprecher aus den Savannengebieten Westafri­kas in die niederschlagsreicheren Waldgebiete an der westafrikanischen Küste möglicherweise schon um 3000 v. Chr. begann (Abbildung 18.4). Wörter, die noch heute in allen Bantu-Sprachen vorkommen, belegen, daß die Bantu schon damals Vieh hielten und an feuchte Klima­verhältnisse angepaßte Gewächse wie Jamswurzeln an­bauten, jedoch nicht über Metall verfügten und immer noch weitgehend vom Jagen und Sammeln sowie vom Fischfang lebten. In den Wäldern verloren sie ihr Vieh, das von Tsetsefliegen übertragenen Krankheiten zum Opfer fiel. Während sie in die äquatorialen Regenwälder des Kongobeckens vordrangen, dort Wald für Pflanzun­gen rodeten und sich weiter vermehrten, schrumpfte der Lebensraum der pygmäischen Jäger und Sammler, die immer weiter in die Wälder zurückgedrängt wurden.
    Um etwa 1000 v. Chr. kamen die Bantu am Ostrand wieder aus den Wäldern hervor und begannen mit der Besiedlung der offeneren Landschaft im Bereich des Ostafrikanischen Grabens und der großen Seen. Dort stießen sie auf ein buntes Völkergemisch aus afroasia­tischen und nilosaharischen Ackerbauern und Hirten, die Hirse und Sorghum anbauten und in trockeneren Gebieten Vieh züchteten, sowie aus Khoisan, die vom Jagen und Sammeln lebten. Dank der an feuchte Kli­maverhältnisse angepaßten Kulturpflanzen, die sie aus ihrer westafrikanischen Heimat mitbrachten, konnten die Bantu in niederschlagsreichen Gebieten Ostafrikas, mit denen die ehemaligen Bewohner nicht viel anzufan­gen wußten, Landwirtschaft treiben. In den letzten Jahr­hunderten v. Chr. rückten sie bis an die Küste Ostafri­kas vor.
    In Ostafrika gingen die Bantu langsam dazu über, auch Hirse und Sorghum anzubauen (die nilosaharischen Be­zeichnungen für diese Gewächse behielten sie bei). Von ihren nilosaharischen und afroasiatischen Nachbarn übernahmen sie außerdem die Viehzucht, die schon frü­her einmal zu ihrem landwirtschaftlichen Repertoire ge­hört hatte. Eine weitere Errungenschaft, in deren Besitz sie in Ostafrika gelangten, war die Eisenverhüttung, die in der Sahelzone gerade erst begonnen hatte. Der Ur­sprung der Eisenverarbeitung in Afrika südlich der Sa­hara in der Zeit bald nach 1000 v. Chr. ist noch unge­klärt. Der frühe Zeitpunkt – er fällt ziemlich genau mit der Ankunft nahöstlicher Eisenverarbeitungstechniken in Karthago an der afrikanischen Nordküste zusam­men – veranlaßt viele Historiker zu der Annahme, daß die Metallverarbeitung von Norden den Weg durch die Sahara in südlichere Regionen fand. Andererseits geht die Kupferverhüttung in der westafrikanischen Sahara und im Sahel mindestens auf die Zeit um 2000 v. Chr. zurück. Sie könnte Vorläufer und Wegbereiter einer ei­genständigen afrikanischen Entdeckung der Eisenverar­beitung gewesen sein. Für diese Hypothese spricht auch, daß sich die von Schmieden in Afrika südlich der Saha­ra angewandten

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