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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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eingetroffe­ne austronesische Sprache Madagaskars bleibt hier außer acht) beruht sicher nicht auf einer ihnen innewohnen­den Überlegenheit als Mittel der Kommunikation. Es muß vielmehr einem Zufall der Geschichte zugeschrie­ben werden: Die Ahnen der Sprecher von nilosahari­schen, Niger-Kongo- und afroasiatischen Sprachen leb­ten zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort, um in den Besitz von Haustieren und domestizierten Pflanzen zu gelangen, die es ihnen erlaubten, sich stärker zu vermeh­ren und anderen Völkern ihre Lebensräume abspenstig zu machen oder ihnen wenigstens ihre Sprache aufzu­zwingen. Die wenigen Khoisan-Sprecher, die bis in die Neuzeit überlebt haben, verdanken dies vor allem dem Umstand, daß sie abgelegene Gebiete im südlichen Afri­ka bewohnen, die für die Landwirtschaft der Bantu un­geeignet sind.
    Bevor wir die Geschichte der Khoisan-Völker in die Zeit vor dem Einströmen der Bantu zurückverfolgen, wol­len wir zuerst einmal sehen, welche Erkenntnisse die Archäologie hinsichtlich der anderen großen prähisto­rischen Völkerverschiebung Afrikas – der Besiedlung Madagaskars durch Austronesier – für uns bereithält. Bei Forschungsarbeiten auf Madagaskar fanden Ar­chäologen heraus, daß austronesische Kolonisten spä­testens um 800 n. Chr., vielleicht aber schon um 300 n. Chr. auf der Insel eintrafen. Dort begegneten sie einer Welt fremdartiger Tiere (und begannen sofort mit ihrer Ausrottung), die so exotisch waren, als kämen sie von einem anderen Stern – das Ergebnis ihrer langen Evolu­tion in madagassischer Abgeschiedenheit. Unter ande­rem trafen sie auf riesige Elefantenvögel, primitive Pri­maten von der Größe von Gorillas, Lemuren genannt, und Zwergflußpferde. Bei Ausgrabungen an Stätten der ältesten menschlichen Siedlungen auf Madagaskar ka­men Überreste von Eisenwerkzeugen, Vieh und Anbau­pflanzen zum Vorschein, was davon kündet, daß es sich bei den Kolonisten nicht bloß um eine Kanuladung Fi­scher handelte, die vom Kurs abgekommen waren, son­dern um eine regelrechte Expedition. Wie kam es zu einem solchen prähistorischen Unternehmen über eine Entfernung von mehr als 6000 Kilometern?
    Einen Hinweis liefert ein alter Reiseführer für die Seefahrt auf dem Indischen Ozean, der Periplus maris Ery­thraei , verfaßt von einem unbekannten Kaufmann, der um 100 n. Chr. in Ägypten lebte. Darin wird ein blü­hender Seehandel zwischen Indien, Ägypten und der Küste Ostafrikas geschildert. Mit der Ausbreitung des Islam ab etwa 800 n. Chr. beginnt eine Zeit, für die der transozeanische Handel durch Funde großer Mengen nahöstlicher (und zuweilen sogar chinesischer!) Erzeug­nisse wie Töpferwaren, Glas und Porzellan in Siedlun­gen entlang der ostafrikanischen Küste archäologisch gut dokumentiert ist. Die Händler warteten auf gün­stige Winde, die es ihnen ermöglichten, den Indischen Ozean zwischen Ostafrika und Indien direkt zu über­queren. Als der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama als erster Europäer die Südspitze Afrikas umsegelte und im Jahr 1498 an der Küste Kenias eintraf, fand er dort Siedlungen von Swahili-Händlern vor. Er warb einen Lotsen an und ließ sich von ihm auf der direkten Rou­te nach Indien leiten.
    Ein ebenso reger Seehandel herrschte indessen zwi­schen Indien und Indonesien im Osten. Mag sein, daß die austronesischen Besiedler Madagaskars auf jener öst­lichen Handelsroute nach Indien gelangten, dann auf die westliche Route einschwenkten und nach Ostafrika wei­terfuhren, um sich dort mit Afrikanern zu vereinen und Madagaskar zu entdecken. Jene Vereinigung von Austro­nesiern und Ostafrikanern lebt heute in Madagaskars austronesischer Sprache fort, die Lehnwörter aus Ban­tu-Sprachen von der Küste Kenias enthält. Umgekehrt finden sich jedoch keine austronesischen Lehnwörter in kenianischen Sprachen, und auch sonst sind die Spu­ren der Austronesier in Ostafrika sehr spärlich: Sie be­stehen hauptsächlich aus Musikinstrumenten von mög­licherweise indonesischem Ursprung (Xylophone und Zithern) und natürlich jenen austronesischen Kultur­gewächsen, die für die afrikanische Landwirtschaft so große Bedeutung erlangen sollten. Man fragt sich da­her, ob die Austronesier, anstatt die leichtere Route nach Madagaskar über Indien und Ostafrika einzuschlagen, vielleicht (auch wenn es unglaublich erscheinen mag) schnurstracks über den Indischen Ozean segelten, Ma­dagaskar entdeckten und erst später auch die

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