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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Ziegen, Lamas und Alpakas sowie Seidenraupen. Die Knochen domestizierter Tiere spielten eine wichtige Rolle als Rohstoff für die Artefak­te jungsteinzeitlicher Völker vor dem Aufkommen der Metallverarbeitung. Kuhhäute dienten zur Lederherstel­lung. Eine der ältesten Kulturpflanzen in vielen Teilen Nord- und Südamerikas wurde ebenfalls nicht zur Nah­rungsgewinnung angebaut: der als Behälter verwende­te Flaschenkürbis.
    Eine Revolution bewirkten domestizierte Säugetiere auch im Transportwesen, wo sie bis zur Erfindung des Automobils gegen Endedes 19. Jahrhunderts das Haupt­transportmittel im Überlandverkehr darstellten. Vor der Domestikation geeigneter Tierarten war der Rücken des Menschen die einzige Möglichkeit, um Güter und Perso­nen auf dem Landweg zu befördern. Dieser Zustand än­derte sich dramatisch: Zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit wurde es möglich, schwere Güter und Personen in großer Zahl und mit relativ hoher Geschwin­digkeit über große Entfernungen zu bewegen. Als Reit­tiere dienten in verschiedenen Kulturen das Pferd, der Esel, der Jak, das Rentier sowie das Dromedar und das zweihöckerige Kamel. Als Lasttiere wurden die gleichen fünf Arten und zusätzlich das Lama genutzt. Kühe und Pferde wurden vor Wagen gespannt, Rentiere und Hunde in arktischen Regionen vor Schlitten. Zum Haupttrans­portmittel im Fernverkehr avancierte in den meisten Teilen Eurasiens das Pferd. Eine ähnliche Rolle spielten die drei Kamelarten (Dromedar, zweihöckeriges Kamel und Lama) in einigen Gebieten Nordafrikas und Arabi­ens, in Zentralasien und den Anden. Der unmittelbar­ste Beitrag zu Eroberungskriegen war die Domestikation des Pferdes, das in seiner militärischen Funktion zum Jeep und Panzer der antiken Kriegführung in Eurasien aufstieg. Wie wir in Kapitel 2 sahen, waren Cortés und Pizarro mit Hilfe des Pferdes imstande, die Reiche der Inkas und Azteken mit nur jeweils einer kleinen Schar von Abenteurern zu erobern. Einige Jahrtausende zuvor (um 4000 v. Chr.), als Pferde noch ohne Sattel geritten wurden, waren sie womöglich der entscheidende mili­tärische Faktor, der für die Ausbreitung von Sprechern indogermanischer Sprachen aus dem Gebiet der heuti­gen Ukraine nach Westen sorgte. Diese Sprachen ver­drängten am Ende sämtliche älteren westeuropäischen Sprachen mit Ausnahme des Baskischen. Als Pferde spä­ter ins Joch gespannt und zum Ziehen von Wagen und anderen Gefährten eingesetzt wurden, revolutionier­ten pferdebespannte Kampfwagen (Erfindung um 1800 v. Chr.) die Kriegführung im Nahen Osten, im Mittel­meerraum und in China. Im Jahr 1675 v. Chr. ermög­lichten es Pferde sogar einem fremden Volk, den Hyksos, das noch pferdelose Ägypten zu erobern und vorüber­gehend den Pharaonenthron zu besteigen.
    Noch später, als Sattel und Steigbügel erfunden waren, konnten die Hunnen und andere Völker, die Woge um Woge aus den Steppen Asiens nach Westen vordrangen, mit ihren Pferden das Römische Reich und seine Nach­folger in Schrecken versetzen; Höhepunkt dieser Ent­wicklung war die Eroberung eines großen Teils Asiens und Rußlands durch die Mongolen im 13. und 14. Jahr­hundert. Erst mit Einführung von Lastkraftwagen und Panzern im Ersten Weltkrieg wurde das Pferd als An­griffsvehikel und schnelles Transportmittel allmählich abgelöst. Dromedare und zweihöckerige Kamele spiel­ten in ihren Verbreitungsgebieten eine ähnliche militä­rische Rolle. Bei allen diesen Beispielen besaßen Völker mit domestizierten Pferden (oder Kamelen) beziehungs­weise verbesserten Techniken ihrer Nutzung gewaltige militärische Vorteile gegenüber Völkern, denen es an diesen mangelte.
    Von ebenso großer Bedeutung für den Ausgang von Eroberungskriegen waren die Krankheitserreger, die sich in Kulturen mit domestizierten Tieren entwickelten. In­fektionskrankheiten wie Pocken, Masern und Grippe entstanden als Krankheitserreger des Menschen durch Mutation sehr ähnlicher Erreger tierischer Krankheiten (Kapitel 10). Jene, die Tiere domestizierten, gehörten zu den ersten Opfern der neu entstandenen Erreger, entwickelten dann aber auch beachtliche Resistenzen gegen die neuen Krankheiten. Kamen solche teilresistenten Men­schen in Kontakt mit Völkern, die mit den betreffen­den Erregern noch keine Bekanntschaft gemacht hatten, brachen Epidemien aus, die bis zu 99 Prozent der noch nicht resistenten Bevölkerung dahinrafften. Krankheits­erreger, die letztlich von domestizierten

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