Arm und Reich
»Zusammenhang« mit den Nahrungsresten vermutete – das heißt, daß es zur gleichen Zeit von den gleichen Menschen, von denen auch die Nahrung stammte, hinterlassen worden war. Ein typisches Beispiel für eine solche Hinterlassenschaft wäre Holzkohle von Feuern.
Nun gleichen archäologische Fundstätten aber nicht immer fein säuberlich verschlossenen Zeitkapseln, deren gesamter Inhalt jeweils an einem einzigen Tag deponiert wurde. Material aus verschiedenen Zeiträumen kann durch wühlende Würmer, Nagetiere und anderes Getier vermischt werden. Holzkohlereste von einem Feuer landen auf diese Weise nicht selten direkt neben den Überresten von Pflanzen und Tieren, die Tausende von Jahren früher oder später starben und verspeist wurden. In der Archäologie wird dieses Problem heute zunehmend mit Hilfe der sogenannten Akzelerator-Massenspektrometrie umgangen, die es erlaubt, auch winzige Stoffmengen mit der Radiokarbon-Methode zu datieren. Mit diesem Verfahren können auch einzelne Samenkörner, kleine Knochen oder andere Nahrungsreste direkt datiert werden. In einigen Fällen wurden große Unterschiede zwischen jüngeren Radiokarbon-Datierungen mit Hilfe der neuen direkten Methoden (die wiederum mit eigenen Problemen behaftet sind) und den älteren indirekten Methoden festgestellt. Die für uns vielleicht wichtigste der noch ungelösten Kontroversen betrifft die Anfänge der Landwirtschaft in Nord- und Südamerika. Während dafür mit den indirekten Methoden in den sechziger und siebziger Jahren Zeitpunkte bis 7000 v. Chr. ermittelt worden waren, kommen jüngere Datierungen auf höchstens 3500 v. Chr.
Ein anderes Problem der Radiokarbon-Datierung, das ich hier ansprechen möchte, hängt damit zusammen, daß das Verhältnis von Kohlenstoff 14 zu Kohlenstoff 12 in der Atmosphäre in Wirklichkeit nicht völlig konstant ist, sondern im Laufe der Zeit leichten Schwankungen unterliegt, so daß Radiokarbon-Datierungen, die von einer konstanten Relation ausgehen, mit kleinen systematischen Fehlern behaftet sind. Welche Größenordnung dieser Fehler hat, läßt sich prinzipiell für jeden Zeitpunkt der Vergangenheit anhand der Jahresringe sehr alter Bäume bestimmen, da jeder Ring einem absoluten Kalenderjahr zugeordnet werden kann, so daß dann eine Kohlenstoffprobe aus Holz, das auf diese Weise datiert wurde, auf das in ihr vorhandene Verhältnis von Kohlenstoff 14 zu Kohlenstoff 12 analysiert werden kann. Auf diese Weise können Radiokarbon-Datierungen unter Berücksichtigung von Schwankungen in der Zusammensetzung des atmosphärischen Kohlenstoffs »kalibriert« werden. Ein solches Verfahren ergibt für Material mit einem scheinbaren (unkalibrierten) Entstehungsdatum zwischen etwa 1000 und 6000 v. Chr. eine um einige Jahrhunderte bis tausend Jahre ältere tatsächliche (kalibrierte) Datierung. Ältere Proben werden seit kurzem mit Hilfe eines alternativen Verfahrens kalibriert, das auf einem anderen radioaktiven Zerfallsprozeß beruht und für Proben mit einer scheinbaren Datierung auf etwa 9000 v. Chr. eine tatsächliche Datierung auf etwa 11 000 v. Chr. ergibt.
Archäologen unterscheiden in englischsprachigen Publikationen oft zwischen kalibrierten und unkalibrierten Daten, indem sie erstere durch Groß- und letztere durch Kleinschreibung markieren, also zum Beispiel 3000 B. C. oder 3000 b. c. (v. Chr.). Allerdings ist die Fachliteratur in dieser Hinsicht widersprüchlich, da in vielen Büchern und Aufsätzen unkalibrierte Daten mit »B. C.« bezeichnet werden ohne einen Hinweis, daß diese Daten in Wirklichkeit unkalibriert sind. Bei den Daten, die ich in diesem Buch für Ereignisse innerhalb der letzten 15 000 Jahre angebe, handelt es sich durchgehend um kalibrierte Daten. Das erklärt vielleicht einige der Unterschiede, auf die der eine oder andere Leser beim Vergleichen der Daten, die ich für die Anfänge der Landwirtschaft angebe, mit denen in einigen Standard-Nachschlagewerken stoßen mag.
Sind Überreste domestizierter Pflanzen oder Tiere einmal erkannt und datiert, stellt sich als nächstes die Frage, ob die Domestikation tatsächlich in der Nähe der Fundstätte oder in Wirklichkeit an einem ganz anderen Ort erfolgte, um sich von dort auszubreiten. Ein Ansatz zur Beantwortung dieser Frage ist die Untersuchung der geographischen Verbreitung der wildlebenden Vorfahren der betreffenden Kulturpflanzen oder Haustiere. Dieser Ansatz
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