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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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»Zusammenhang« mit den Nahrungs­resten vermutete – das heißt, daß es zur gleichen Zeit von den gleichen Menschen, von denen auch die Nah­rung stammte, hinterlassen worden war. Ein typisches Beispiel für eine solche Hinterlassenschaft wäre Holz­kohle von Feuern.
    Nun gleichen archäologische Fundstätten aber nicht immer fein säuberlich verschlossenen Zeitkapseln, de­ren gesamter Inhalt jeweils an einem einzigen Tag de­poniert wurde. Material aus verschiedenen Zeiträumen kann durch wühlende Würmer, Nagetiere und ande­res Getier vermischt werden. Holzkohlereste von einem Feuer landen auf diese Weise nicht selten direkt neben den Überresten von Pflanzen und Tieren, die Tausen­de von Jahren früher oder später starben und verspeist wurden. In der Archäologie wird dieses Problem heu­te zunehmend mit Hilfe der sogenannten Akzelerator-Massenspektrometrie umgangen, die es erlaubt, auch winzige Stoffmengen mit der Radiokarbon-Methode zu datieren. Mit diesem Verfahren können auch einzelne Samenkörner, kleine Knochen oder andere Nahrungsre­ste direkt datiert werden. In einigen Fällen wurden gro­ße Unterschiede zwischen jüngeren Radiokarbon-Datie­rungen mit Hilfe der neuen direkten Methoden (die wie­derum mit eigenen Problemen behaftet sind) und den älteren indirekten Methoden festgestellt. Die für uns vielleicht wichtigste der noch ungelösten Kontroversen betrifft die Anfänge der Landwirtschaft in Nord- und Südamerika. Während dafür mit den indirekten Metho­den in den sechziger und siebziger Jahren Zeitpunkte bis 7000 v. Chr. ermittelt worden waren, kommen jün­gere Datierungen auf höchstens 3500 v. Chr.
    Ein anderes Problem der Radiokarbon-Datierung, das ich hier ansprechen möchte, hängt damit zusammen, daß das Verhältnis von Kohlenstoff 14 zu Kohlenstoff 12 in der Atmosphäre in Wirklichkeit nicht völlig kon­stant ist, sondern im Laufe der Zeit leichten Schwan­kungen unterliegt, so daß Radiokarbon-Datierungen, die von einer konstanten Relation ausgehen, mit klei­nen systematischen Fehlern behaftet sind. Welche Grö­ßenordnung dieser Fehler hat, läßt sich prinzipiell für jeden Zeitpunkt der Vergangenheit anhand der Jahres­ringe sehr alter Bäume bestimmen, da jeder Ring ei­nem absoluten Kalenderjahr zugeordnet werden kann, so daß dann eine Kohlenstoffprobe aus Holz, das auf diese Weise datiert wurde, auf das in ihr vorhandene Verhältnis von Kohlenstoff 14 zu Kohlenstoff 12 analy­siert werden kann. Auf diese Weise können Radiokar­bon-Datierungen unter Berücksichtigung von Schwan­kungen in der Zusammensetzung des atmosphärischen Kohlenstoffs »kalibriert« werden. Ein solches Verfahren ergibt für Material mit einem scheinbaren (unkalibrier­ten) Entstehungsdatum zwischen etwa 1000 und 6000 v. Chr. eine um einige Jahrhunderte bis tausend Jahre ältere tatsächliche (kalibrierte) Datierung. Ältere Pro­ben werden seit kurzem mit Hilfe eines alternativen Ver­fahrens kalibriert, das auf einem anderen radioaktiven Zerfallsprozeß beruht und für Proben mit einer schein­baren Datierung auf etwa 9000 v. Chr. eine tatsächliche Datierung auf etwa 11 000 v. Chr. ergibt.
    Archäologen unterscheiden in englischsprachigen Pu­blikationen oft zwischen kalibrierten und unkalibrierten Daten, indem sie erstere durch Groß- und letztere durch Kleinschreibung markieren, also zum Beispiel 3000 B. C. oder 3000 b. c. (v. Chr.). Allerdings ist die Fachlitera­tur in dieser Hinsicht widersprüchlich, da in vielen Bü­chern und Aufsätzen unkalibrierte Daten mit »B. C.« be­zeichnet werden ohne einen Hinweis, daß diese Daten in Wirklichkeit unkalibriert sind. Bei den Daten, die ich in diesem Buch für Ereignisse innerhalb der letzten 15 000 Jahre angebe, handelt es sich durchgehend um kalibrier­te Daten. Das erklärt vielleicht einige der Unterschiede, auf die der eine oder andere Leser beim Vergleichen der Daten, die ich für die Anfänge der Landwirtschaft an­gebe, mit denen in einigen Standard-Nachschlagewer­ken stoßen mag.
    Sind Überreste domestizierter Pflanzen oder Tiere einmal erkannt und datiert, stellt sich als nächstes die Frage, ob die Domestikation tatsächlich in der Nähe der Fundstätte oder in Wirklichkeit an einem ganz anderen Ort erfolgte, um sich von dort auszubreiten. Ein Ansatz zur Beantwortung dieser Frage ist die Untersuchung der geographischen Verbreitung der wildlebenden Vorfah­ren der betreffenden Kulturpflanzen oder Haustiere. Die­ser Ansatz

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