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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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domestizier­ten und zu Ackerbauern und Viehzüchtern wurden.
    Und wie ist zu erklären, daß die Landwirtschaft in je­nen Regionen, in denen sie von alleine aufkam, zu so un­terschiedlichen Zeitpunkten auf den Plan trat – etwa in Ostasien Tausende von Jahren früher als im Osten der USA? Warum galt das gleiche für Regionen, in denen die Landwirtschaft in prähistorischer Zeit importiert wurde – beispielsweise in Südwesteuropa Tausende von Jahren früher als im Südwesten der USA? Und warum wieder­um übernahmen Jäger und Sammler in einigen Gebie­ten mit importierter Landwirtschaft (zum Beispiel im Südwesten der USA) Nutzpflanzen und Vieh von ihren Nachbarn, um dann selbst zur bäuerlichen Lebensweise überzugehen, während in anderen Gebieten (wie in Indo­nesien und einem großen Teil Afrikas südlich des Äqua­tors) der Import der Landwirtschaft mit dramatischen Umwälzungen verbunden war, in deren Verlauf die ur­sprüngliche Jäger- und Sammlerbevölkerung durch ge­waltsam vordringende Ackerbauern ersetzt wurde? All diese Gegensätze und Entwicklungen entschieden mit darüber, welche Völker zu den Habenichtsen und wel­che zu den Habenden der Geschichte wurden.
    Bevor wir Antworten auf diese Fragen erhoffen können, muß zunächst ermittelt werden, in welchen Regionen die Landwirtschaft entstand, wann dies geschah und welches die Zeitpunkte der Domestikation der verschiedenen Kulturpflanzen und Haustiere waren. Die eindeutigsten Hinweise liefert die Analyse pflanzlicher und tierischer Überreste an archäologischen Fundstätten. Die meisten domestizierten Pflanzen- und Tierarten unterscheiden sich morphologisch von ihren wildlebenden Vorfahren. Beispiele sind die kleinere Gestalt domestizierter Rin­der und Schafe, die größere Gestalt domestizierter Hüh­ner und Äpfel, die dünneren und glatteren Samenhül­len domestizierter Erbsen und die korkenzieher- statt krummsäbelartig geformten Hörner domestizierter Zie­gen. Überreste domestizierter Pflanzen und Tiere an da­tierten arch äologischen Fundstätten sind somit als sol­che erkennbar und weisen daraufhin, daß am jeweili­gen Ort und zum jeweiligen Zeitpunkt Landwirtschaft getrieben wurde. Werden dagegen ausschließlich Über­reste von Pflanzen und Tieren wilder Arten gefunden, spricht das dafür, daß es sich um eine Lagerstätte von Jä­gern und Sammlern handelte. Natürlich hörten – insbe­sondere die frühesten – Ackerbauern nicht schlagartig auf, Wildpflanzen zu sammeln und auf die Jagd zu ge­hen, was erklärt, daß an ihren Wohnstätten häufig Nah­rungsreste sowohl von wilden als auch von domestizier­ten Arten gefunden wurden.
    Das Alter von Nahrungsresten kann mit Hilfe der Ra­diokarbon-Datierung bestimmt werden. Diese Methode beruht auf der langsamen Umwandlung des radioakti­ven Kohlenstoffisotops C 14, das in sehr geringen Men­gen im natürlichen Kohlenstoff, dem allgegenwärtigen Baustein des Lebens, vorkommt, in das nichtradioakti­ve Stickstoffisotop N 14. Kohlenstoff 14 wird in der At­mosphäre ständig durch kosmische Strahlung gebildet. Pflanzen nehmen aus der Luft den Kohlenstoff auf, in dem Kohlenstoff 14 in einem bekannten und in etwa konstanten Verhältnis zu dem vorherrschenden Kohlen­stoffisotop C 12 (etwa eins zu einer Million) enthalten ist. Über die Nahrungskette dient der pflanzliche Koh­lenstoff dem Aufbau der Körper pflanzenfressender Tie­re und dann dem Aufbau der Körper von Fleischfres­sern, die sich von Pflanzenfressern ernähren. Stirbt die Pflanze beziehungsweise das Tier, zerfällt alle 5700 Jahre die Hälfte des enthaltenen Kohlenstoff 14, bis der C–14-Gehalt nach etwa 40 000 Jahren extrem niedrig und nur noch schwer zu messen oder von Verunreinigungen mit kleineren Stoffmengen jüngeren Datums, die ebenfalls C 14 enthalten, zu unterscheiden ist. So läßt sich das Al­ter von Material aus einer archäologischen Fundstätte durch Berechnungen ermitteln, die auf dem Verhältnis von Kohlenstoff 14 zu Kohlenstoff 12 basieren.
    Die Radiokarbon-Datierung ist mit diversen techni­schen Problemen behaftet. Eins besteht darin, daß bis in die achtziger Jahre hinein zur Durchführung der Analy­se relativ große Mengen Kohlenstoff (mehrere Gramm) benötigt wurden, also viel mehr, als in kleinen Samen­körnern oder Knochen enthalten ist. Deshalb mußte oft behelfsweise Material datiert werden, das am gleichen Ort in unmittelbarer Nähe gefunden wurde und bei dem man einen

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