Arm und Reich
und Büffeln teilten. Warum gab es nicht wenigstens einen afrikanischen Jäger- und Sammlerstamm, der diese Arten erfolgreich domestizierte und dadurch die Überlegenheit über andere afrikanische Völker errang, noch bevor Pferde und Rinder aus Eurasien eintrafen? Dies alles deutet darauf hin, daß die Gründe für das weitgehende Ausbleiben von Domestikationen außerhalb Eurasiens mit den örtlichen Tierarten statt mit den örtlichen Völkern zusammenhingen.
Ein zweiter Indizientyp, der zu dem gleichen Schluß führt, bezieht sich auf Haustiere als Gefährten des Menschen. Das Zähmen und Halten von Wildtieren stellt eine Vorstufe der Domestikation dar. Haus- und Schoßtierhaltung ist jedoch von praktisch allen menschlichen Gesellschaften bekannt. Die Vielfalt der zu diesem Zweck gezähmten Wildtiere übersteigt die Zahl der am Ende domestizierten Arten bei weitem und umfaßt auch einige, auf die man nicht so schnell kommen würde.
In den Dörfern in Neuguinea, die ich regelmäßig bei meinen Forschungen besuche, sehe ich oft Menschen mit Känguruhs, Opossums und Vögeln der verschiedensten Arten, von Schnäppern bis hin zu Fischadlern. Die meisten von ihnen wandern früher oder später in den Kochtopf, aber einige dienen auch ausschließlich zur Erbauung ihrer Besitzer. Die Neuguineer fangen sogar regelmäßig Kasuarenjunge (den Straußen ähnelnde flugunfähige Vögel) und ziehen sie auf, um sie, wenn die Zeit gekommen ist, als Delikatesse zu verspeisen – und das, obwohl ausgewachsene Kasuare auch in Gefangenschaft äußerst gefährlich sind und schon dem einen oder anderen Dorfbewohner den Bauch aufgeschlitzt haben. Einige asiatische Völker zähmen Adler für die Jagd, obgleich es immer wieder vorkommt, daß die Jäger selbst Opfer dieser mächtigen Vögel werden. Geparden wurden von den alten Ägyptern und Assyrern ebenso wie in jüngerer Vergangenheit, von Indianern für die Jagd abgerichtet. Aus alten ägyptischen Malereien geht hervor, daß auch Huftiere wie Gazellen und Kuhantilopen sowie Vögel wie zum Beispiel Kraniche (nicht sehr überraschend), Giraffen (schon überraschender, da manchmal recht gefährlich) und Hyänen (am überraschendsten) gezähmt wurden. Afrikanische Elefanten wurden zu Zeiten Roms trotz ihrer unübersehbaren Gefährlichkeit gezähmt, während Asiatische Elefanten noch heute als Arbeitselefanten abgerichtet werden. Das vielleicht erstaunlichste Haustier ist der Braunbär (gehört zur gleichen Art wie der amerikanische Grizzly), der vom Volk der Ainu in Japan regelmäßig als Jungtier gefangen, gezähmt und aufgezogen wurde, um schließlich in einer rituellen Zeremonie getötet und verspeist zu werden.
Zahlreiche Wildtierarten erreichten, mit anderen Worten, das erste Stadium auf dem Weg zur Domestikation, doch nur wenige wurden am Ende tatsächlich zu Haustieren. Vor über einem Jahrhundert beschrieb der britische Gelehrte Francis Galton diese Diskrepanz sehr treffend wie folgt: »Wie es scheint, hatte jedes Wildtier seine Chance, domestiziert zu werden, wobei eine kleine Zahl … vor langer Zeit domestiziert wurde, der große Rest derer aber, bei denen es manchmal nur an einem winzigen Detail haperte, zu ewigem Wildsein bestimmt ist.«
Die Zeitpunkte der Domestikation liefern eine dritte Indizienkette zur Bestätigung von Galtons Sicht, daß frühzeitliche Hirtenvölker innerhalb kurzer Zeit sämtliche dafür geeigneten Großsäugetiere domestizierten. Alle Arten, für die der Zeitpunkt ihrer Domestikation aufgrund archäologischer Funde feststeht, wurden etwa zwischen 8000 und 2500 v. Chr. domestiziert, also innerhalb der ersten Jahrtausende seit Entstehung seßhafter bäuerlicher Gesellschaften nach dem Ende derletzten Eiszeit. Wie Tabelle 8.3 im Überblick zeigt, begann die Ära der Domestikation großer Säugetiere mit dem Schaf, der Ziege und dem Schwein und endete mit dem Kamel. Seit 2500 v. Chr. kamen keine bedeutenden weiteren Arten hinzu.
Für die anderen vier domestizierten Großsäugetiere – Rentier, Jak, Gaur und Banteng – sind die Zeitpunkte der Domestikation bisher nicht überzeugend belegt. Die Angaben in der Tabelle beziehen sich nur auf den jeweils ältesten belegten Zeitpunkt; tatsächlich kann die Domestikation schon früher oder an einem anderen Ort stattgefunden haben .
Tabelle 8.3 Ungefähre Zeitpunkte der ersten belegten Säugetierdomestikationen
Es stimmt natürlich, daß einige
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