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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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vorzuweisen. Nordamerika, Au­stralien und Afrika südlich der Sahara waren mit kei­nem einzigen gesegnet. Das Fehlen örtlich domestizier­ter Haustiere in Afrika südlich der Sahara überrascht um so mehr, als die dortige Großtierwelt jedes Jahr Millionen von Touristen nach Afrika lockt. Dagegen beschränkte sich das Verbreitungsgebiet der Wildvor­fahren von 13 der »klassischen 14« (einschließlich der »großen Fünf«) auf Eurasien. (Hier und an verschiede­nen anderen Stellen dieses Buches ist bei Verwendung der Bezeichnung »Eurasien« Nordafrika mitgemeint, da diese Region biogeographisch und auch kulturell in vielerlei Hinsicht eher Eurasien als Afrika südlich der Sahara zuzuordnen ist). Natürlich kamen nicht alle 13 dieser wildlebenden Vorfahren überall in Eurasien vor. Keine Region besaß alle 13, und einige Arten waren so­gar aufrecht kleine Gebiete beschränkt, wie beispiels­weise der Jak auf Tibet und angrenzende Hochlandre­gionen. In vielen Teilen Eurasiens waren jedoch relativ viele der 13 Arten anzutreffen. So kamen im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds sieben wildlebende Vorfahren domestizierter Säugetiere vor.
    Diese höchst ungleiche Verteilung der Ahnen unse­rer späteren Haustiere auf die verschiedenen Kontinen­te trug in bedeutender Weise dazu bei, daß die Eurasi­er und nicht die Völker anderer Kontinente den Weg zur modernen Zivilisation als erste fanden. Wie erklärt sich nun aber diese Konzentration der »klassischen 14« auf Eurasien?
    Einer der Gründe ist simpel. Eurasien beherbergt die größte Zahl wilder landbewohnender Säugetierarten, ob Vorfahren von Haustieren oder nicht. Wir wollen unse­ren »Domestikationskandidaten« einmal definieren als landbewohnenden Pflanzen- oder (nicht in erster Li­nie fleischfressenden) Allesfresser, der im Durchschnitt mindestens 45 Kilo auf die Waage bringt. Aus Tabelle 8.2 geht klar hervor, daß die meisten Arten, die diesen Kriterien genügen, 72 an der Zahl, in Eurasien zu fin­den sind – wie es auch bei vielen anderen Gruppen von Pflanzen und Tieren der Fall ist. Das liegt daran, daß Eurasien die größte zusammenhängende Landmasse der Welt darstellt und sehr vielfältige Lebensräume bietet, von ausgedehnten tropischen Regenwäldern über Wäl­der in gemäßigten Klimazonen, Wüsten und Sümpfen bis hin zu riesigen Tundren.

    Unter »Kandidat« wird hier ein wildlebendes Landsäugetier (Pflanzen- oder Allesfresser) mit einem durchschnittlichen Ge­wicht von mindestens 45 Kilo verstanden .
    Tabelle 8.2 Domestikationskandidaten
    In Afrika südlich der Sa­hara finden wir mit 51 Arten deutlich weniger Kandida­ten, was wiederum der Situation bei den meisten ande­ren Gruppen von Pflanzen und Tieren entspricht – Afri­ka ist eben kleiner und ökologisch weniger vielfältig als Eurasien. So sind Afrikas Regenwälder nicht so groß wie die Südostasiens; außerdem sind jenseits des 37. Breiten­grades überhaupt keine Lebensräume mit gemäßigten klimatischen Verhältnissen anzutreffen. In Nord- und Südamerika dürfte es, wie bereits in Kapitel 1 erörtert, früher einmal fast so viele Domestikationskandidaten gegeben haben wie in Afrika, doch die meisten großen Säugetiere der Neuen Welt (einschließlich der Pferde, der meisten Kamele und anderer Arten, die, hätten sie überlebt, womöglich domestiziert worden wären) star­ben vor etwa 13 000 Jahren aus. Australien, der kleinste und abgelegenste Kontinent, war seit jeher mit weniger Arten großer Säugetiere als Eurasien, Afrika oder Nord- und Südamerika ausgestattet. Wie in Amerika starben die wenigen australischen Kandidaten, mit Ausnahme des roten Riesenkänguruhs, zur Zeit der ersten Besied­lung des Kontinents durch den Menschen allesamt aus.
    Ein Teil der Erklärung dafür, daß die meisten großen Säugetiere in Eurasien domestiziert wurden, lautet so­mit, daß auf diesem Kontinent von vornherein die mei­sten in Frage kommenden Arten beheimatet waren und von diesen in den letzten 40 000 Jahren weniger ausstar­ben als anderswo. Doch die Zahlen in Tabelle 8.2 sagen uns auch, daß es noch andere Gründe geben muß. Ne­ben der absoluten Zahl ist nämlich auch der Prozentsatz tatsächlich domestizierter Kandidaten in Eurasien mit 18 Prozent am höchsten und in Afrika südlich der Sa­hara mit 0 Prozent am geringsten (von den 51 dortigen Kandidaten wurde kein einziger domestiziert!). Beson­ders überraschend ist die große Zahl afrikanischer und amerikanischer

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