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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ein­geführtem eurasischem Vieh besitzt, das viel eher Op­fer afrikanischer Krankheiten wird, nicht zum Erfolg geführt haben.
    Somit gelang es weder einheimischen Viehzüchtern, die über Tausende von Jahren Seite an Seite mit den verschiedensten Domestikationskandidaten lebten, noch modernen Genetikern, weitere große Säugetiere neben den »klassischen 14«, die vor mindestens 4500 Jahren domestiziert wurden, in nützliche Haustiere zu verwan­deln. Dabei könnten heutige Wissenschaftler zweifellos, wenn sie nur wollten, bei den meisten Arten den Teil der Definition von Domestikation erfüllen, bei dem es um die Regelung der Fortpflanzung und Futterversorgung geht. So sind die letzten überlebenden Kalifornischen Kondore in den Zoos von San Diego und Los Angeles heute einer weitaus strengeren Fortpflanzungskontrolle unterworfen als irgendein domestiziertes Haustier. Je­der einzelne Kondor wurde genetisch identifiziert, und mit Hilfe eines Computerprogramms wird entschieden, welches Männchen sich mit welchem Weibchen paaren darf – alles um der Erreichung bestimmter, vom Men­schen definierter Ziele willen (in diesem Fall: Maximie­rung der genetischen Vielfalt zwecks Erhaltung der be­drohten Art). Ähnliche Zuchtprogramme werden von Zoos mit vielen anderen bedrohten Tierarten durchge­führt, etwa mit Gorillas und Nashörnern. Bei der rigo­rosen Selektion des Kalifornischen Kondors besteht je­doch keine Aussicht auf ein wirtschaftlich nützliches Produkt. Das gleiche gilt für Projekte mit Nashörnern,
    obwohl diese über drei Tonnen Fleisch zu bieten hätten. Wie wir sehen werden, sind Nashörner (und die meisten anderen großen Säugetiere) mit fatalen Nachteilen be­haftet, die ihrer Domestikation im Wege stehen.
    Alles in allem bestanden von den 148 großen landbe­wohnenden Pflanzenfressern – den Domestikationskandidaten – nur 14 den Test. Woran scheiterten die übrigen 134 Arten? Und worauf spielte Francis Galton an, als er schrieb, diese übrigen Arten seien »zu ewigem Wildsein bestimmt«?
    Die Antwort ergibt sich aus dem Anna-Karenina-Prin­zip. Zur erfolgreichen Domestikation bedarf eine Art vieler verschiedener Merkmale. Mangelt es ihr an nur einem einzigen, sind alle Domestikations bemühungen zum Scheitern verurteilt, ganz ähnlich wie beim Zim­mern einer glücklichen Ehe. Wenn wir einmal für das Gespann Mensch – Zebra und andere Fehlpaarungen den Eheberater spielen, erkennen wir mindestens sechs Arten von Gründen, an denen die glückliche Ehe scheiterte.
    Ernährung . Jedesmal, wenn ein Tier eine Pflanze oder ein anderes Tier verspeist, wird Biomasse umgewandelt – mit einem Wirkungsgrad von unter 100 Prozent (typi­scherweise etwa 10 Prozent). Das heißt, es werden rund 10 000 Pfund Mais benötigt, um eine 1000 Pfund schwe­re Kuh auf die Beine zu stellen. Will man dagegen einen 1000 Pfund schweren Fleischfresser, so muß man ihn mit 10 000 Pfund Pflanzenfresserfleisch füttern, wofür wiederum 100 000 Pfund Mais benötigt werden. Selbst unter Pflanzenfressern und Allesfressern sind aber viele Arten, wie beispielsweise Koalas, zu wählerisch in dem, was sie als Kost akzeptieren, als daß sie sich für die Hal­tung als Schlachtvieh empfehlen würden.
    Aufgrund dieser ungünstigen Relation wurde noch nie ein fleischfressendes Säugetier als Nahrungslieferant domestiziert. (Nein, der Grund liegt nicht in zu zähem oder zu fadem Fleisch: Wir essen ständig Fischarten der fleischfressenden Sorte, und ich kann persönlich bezeu­gen, daß auch Löwenfleisch durchaus schmackhaft ist.) Einer Ausnahme am nächsten kommt der Hund. Ur­sprünglich als Kamerad und Jagdgefährte domestiziert, wurden im aztekischen Mexiko, in Polynesien und im alten China auch Rassen speziell für Schlachtzwecke ge­züchtet. Der regelmäßige Verzehr von Hundefleisch war jedoch quasi der letzte Ausweg in Gesellschaften, in de­nen chronischer Fleischmangel herrschte: Die Azteken besaßen überhaupt kein anderes Haus(säuge)tier, und Polynesier und alte Chinesen kannten nur Schwein und Hund. In Kulturen, die mit domestizierten pflanzenfres­senden Säugetieren gesegnet waren, wurden dagegen in Hunden nie Fleischlieferanten gesehen, es sei denn, man verspeiste sie als seltene Delikatesse (wie noch heute in manchen Teilen Südostasiens). Im übrigen sind Hun­de keine reinen Fleisch-, sondern Allesfresser. Falls Sie von Ihrem geliebten Hündchen etwas anderes geglaubt haben, empfehle ich einen Blick auf die

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