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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Arten von Kleinsäu­getieren erstmals lange nach 2500 v. Chr. domestiziert wurden. So begann die Kaninchenhaltung erst im Mit­telalter, Mäuse und Ratten wurden erst im 20. Jahrhun­dert als Versuchstiere für die Laborforschung domesti­ziert und Hamster erst in den 30er Jahren unseres Jahr­hunderts als Käfigtiere. Daß dieser Prozeß andauert, ist nicht erstaunlich, da es Tausende von Kandidaten gibt, deren Nutzen für traditionelle Gesellschaften zu gering war, um den Aufwand der Zucht zu rechtfertigen. Die Domestikation der großen Säugetiere war hingegen vor 4500 Jahren so gut wie abgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen praktisch alle der 148 großen Säuge­tierarten der Welt viele Male getestet worden sein, mit dem Ergebnis, daß nur wenige die Prüfung bestanden und keine geeigneten Kandidaten mehr übrigblieben.
    Einen vierten Indizientyp, der dafür spricht, daß eini­ge Säugetierarten weit besser domestizierbar sind als andere, liefern unabhängige Domestikationen der glei­chen Art. Molekularbiologische Auswertungen des An­teils der sogenannten Mitochondrien-DNS bestätigten kürzlich, was schon lange vermutet worden war, daß nämlich indische Buckelrinder und europäische buckellose Rinder die Nachfahren zweier getrennter Po­pulationen von Wildrindern sind, deren gemeinsamer Stammbaum sich vor Hunderttausenden von Jahren gabelte. Demnach domestizierten Inder die örtliche in­dische Unterart, vorderasiatische Völker die vordera­siatische Unterart und Nordafrikaner womöglich die nordafrikanische Unterart des Auerochsen.
    Ähnlich wurden aus Wölfen in Amerika und wahr­scheinlich auch in mehreren Regionen Eurasiens ein­schließlich Chinas und Vorderasiens unabhängig von­einander Hunde gezüchtet. Die Hausschweinarten, die wir heute kennen, sind das Ergebnis unabhängiger Do­mestikationen in China, Vorderasien und vielleicht noch weiteren Gebieten. Diese Beispiele unterstreichen ein mal mehr, daß eine kleine Zahl geeigneter Säugetierarten die Aufmerksamkeit zahlreicher Völker in den verschiedensten Regionen erregte.
    Neuzeitliche Mißerfolge bei Domestikationsbemü­hungen sind der letzte Typ von Indizien, die belegen, daß die gescheiterte Domestikation des großen Rests der prinzipiell in Frage kommenden Arten in den Unzuläng­lichkeiten dieser Arten, nicht aber in denen bestimmter frühzeitlicher Völker begründet ist. Die heutigen Euro­päer können unter den Bewohnern der Erde auf eine der längsten Traditionen der Domestikation von Tieren zu­rückblicken. Der Anfang wurde vor rund 10 000 Jahren in Vorderasien gemacht. Seit dem 15. Jahrhundert brei­teten sich Europäer auf der ganzen Welt aus und trafen dabei auf viele wilde Säugetierarten, die sie aus Europa nicht kannten. Europäische Siedler wie jene, denen ich in Neuguinea immer wieder mit zahmen Känguruhs und Opossums begegne, zähmten – genau wie die Ein­heimischen – eine Vielzahl örtlicher Säugetiere. Euro­päische Viehzüchter und Ackerbauern, die auf andere Kontinente auswanderten, unternahmen dort ebenfalls ernsthafte Anstrengungen zur Domestikation örtlicher Tierarten. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden mit min­destens sechs großen Säugetieren – Elenantilope, Hirsch, Elch, Moschusochse, Zebra und amerikanischer Bison – großangelegte Domestikationsversuche unter Beteili­gung wissenschaftlicher Experten unternommen. So war die Elenantilope, die größte afrikanische Antilopenart, Objekt systematischer Selektion nach Fleischqualität und Milchquantität; durchgeführt wurden die Bemühun­gen im zoologischen Garten von Askanija-Nova in der Ukraine, aber auch in England, Kenia, Simbabwe und Südafrika. Eine Versuchsfarm für Hirsche wurde unter der Leitung des Rowett-Forschungsinstituts im schot­tischen Aberdeen betrieben, eine für Elche im Natio­nalpark Petschero-Ilytsch in Rußland. Der Erfolg dieser Bemühungen war jedoch äußerst begrenzt. Zwar findet man in amerikanischen Supermärkten zuweilen Büffel­fleisch, und in Schweden und Rußland werden hier und da Elche geritten, gemolken und vor Schlitten gespannt. Der wirtschaftliche Nutzen dieser Anstrengungen war jedoch nicht überzeugend genug, um eine größere Zahl von Viehzüchtern zur Nachahmung zu veranlassen. Be­sonders verblüffend ist, daß die jüngeren Bemühungen zur Domestikation der Elenantilope in Afrika selbst, wo sie durch ihre Krankheitsresistenz und Anpassung an das örtliche Klima einen großen Vorteil gegenüber

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