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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Südamerika. Und die in Kunst, Astronomie und anderen Bereichen wohl fortgeschrittenste Zivilisation der Neuen Welt war die der Mayas im tropischen Yucatán und in Guatemala im 1. Jahrtausend n. Chr.
    Ein dritter Antworttyp auf Yalis Frage bringt die Be­deutung von Flußtälern in Tieflandzonen mit Trocken­klima ins Spiel, wo als Voraussetzung einer ertragreichen Landwirtschaft umfangreiche Bewässe rungssysteme er­richtet werden mußten, die wiederum einer zentralis­tischen Bürokratie bedurften. Diese Erklärung wur­de aus der unumstrittenen Tatsache abgeleitet, daß die ältesten bekannten Reiche und Schriftsysteme im Zweistromland von Euphrat und Tigris sowie im ägyp­tischen Niltal entstanden. Bewässerungssysteme gingen offenbar auch in anderen Regionen der Welt mit zentra­lisierter politischer Macht Hand in Hand, so im Indu­stal auf dem indischen Subkontinent und in den Tälern des Gelben Flusses und des Jangtse in China, im Maya-Tiefland in Mittelamerika und in den Wüstengebieten an der Küste von Peru. Eingehende archäologische Stu­dien ergaben jedoch, daß komplizierte Bewässerungs­systeme nicht parallel zum Aufkommen zentralistischer Bürokratien entstanden, sondern diesen mit beträcht­licher Verzögerung folgten . Das bedeutet, daß zentrali­stische Staatswesen aus anderen Gründen entstanden, bevor sie dann die Errichtung komplizierter Bewässe­rungssysteme ermöglichten. Alle entscheidenden frühe­ren Entwicklungen, die der Entstehung solcher Staats­gebilde in den besagten Regionen vorangingen, wiesen keinerlei Zusammenhang mit Flußtälern oder kompli­zierten Bewässerungssystemen auf. So lagen in dem Teil Vorderasiens, der aufgrund seiner geographischen Form als »Fruchtbarer Halbmond« bezeichnet wird, die Ur­sprünge von Landwirtschaft und Dorfgemeinschaften in Hügeln und Bergen, nicht aber in den Flußtälern des Tieflands. Das Niltal war noch 3000 Jahre nach dem Auf­keimen einer dörflichen Landwirtschaft in den Hügeln des Fruchtbaren Halbmonds kulturelle Provinz. In eini­gen Flußtälern im Südwesten der USA entwickelten sich zwar Bewässerungslandwirtschaft und komplexe Gesell­schaften, aber erst nachdem viele der Errungenschaften, die dafür die Voraussetzung bildeten, aus Mexiko im­portiert worden waren. In den Flußtälern im Südosten Australiens lebten unterdessen Stammesgesellschaften, denen Landwirtschaft gänzlich fremd war.
    Ein weiterer Erklärungstyp verweist auf die unmittel­baren Faktoren, die den Europäern die Ausrottung oder Unterwerfung anderer Völker ermöglichten, also insbe­sondere Gewehre und Kanonen, Epidemien europäischer Infektionskrankheiten, Stahlwerkzeuge und Industrieer­zeugnisse. Diese Art der Erklärung führt auf die rich­tige Spur, da ja die aufgezählten Faktoren nachweislich in direktem Zusammenhang mit den Eroberungen der Europäer standen. Allerdings haben wir es noch mit ei­ner unvollständigen Hypothese zu tun, da die Nennung unmittelbarer Ursachen lediglich die Vorstufe zu einer wirklichen Erklärung darstellen kann. Immerhin wird ein Anstoß für die Suche nach den eigentlichen Ursa­chen gegeben: Warum besaßen am Ende Europäer und nicht Afrikaner oder Indianer Gewehre und Kanonen, die bösartigsten Krankheitserreger und Werkzeuge aus Stahl?
    Während bei dem Versuch, die eigentlichen Ursachen der Eroberung der Neuen Welt durch Europäer zu ver­stehen, gewisse Fortschritte erzielt wurden, gibt Afrika, über Jahrmillionen Stätte der menschlichen Evolution, an der auch der anatomisch moderne Mensch herange­reift sein dürfte und wo Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber europäische Entdecker dahinrafften, nach wie vor große Rätsel auf. Angesichts des gewaltigen zeitli­chen Vorsprungs, den Afrika zweifelsohne besaß, stellt sich die Frage, warum Kanonen und Stahl nicht zuerst in Afrika auftauchten und den Afrikanern und ihren Krankheitserregern die Macht gaben, Europa zu erobern.
    Und wie erklärt es sich, daß die australischen Aborigines das Stadium von Jägern und Sammlern mit Steinwerkzeugen nie verließen?
    Fragen, die sich aus dem Vergleich menschlicher Kul­turen in verschiedenen Regionen der Welt ergeben, stie­ßen bei Historikern und Geographen früher auf großes Interesse. Die wohl bekannteste Arbeit dieser Art aus neuerer Zeit ist das mehrbändige Werk von Arnold Toyn­bee mit dem Titel Der Gang der Weltgeschichte  [1] . Toyn­bees Interesse galt in erster Linie der inneren Dynamik von 23 Hochkulturen,

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