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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Mexiko nicht erst um 3500 v. Chr. domestiziert wur­de, wie ich für diese Berechnungen angenommen habe,
    sondern schon viel früher, wie die meisten Archäolo­gen bis vor kurzem glaubten (viele vertreten noch heu­te diese Meinung).
    Große Unterschiede bestanden auch im Umfang der Ausbreitung der in einem Gebiet domestizierten Anbau­pflanzen und Haustiere, die ebenfalls auf stärkere bezie­hungsweise schwächere Barrieren hindeuten. Während beispielsweise die meisten Gründerpflanzen und -vieh­arten Vorderasiens den Weg westwärts nach Europa und ostwärts ins Industal fanden, gelangte von den Haustie­ren der Anden (Lama/Alpaka, Meerschweinchen) in prä­kolumbianischer Zeit kein einziges bis nach Mesoame­rika. Diese verblüffende Tatsache schreit geradezu nach einer Erklärung. Immerhin entwickelten sich in Meso­amerika bäuerliche Kulturen mit hoher Siedlungsdich­te und komplexen gesellschaftlichen Strukturen, so daß die in den Anden domestizierten Tiere (wären sie denn verfügbar gewesen) als wertvolle Nahrungs- und Woll­lieferanten beziehungsweise Zugtiere sicher äußerst will­kommen gewesen wären. Abgesehen von Hunden gab es in Mesoamerika nämlich keine heimischen Säugetiere, die diese Bedürfnisse hätten befriedigen können. Eini­ge Anbaupflanzen aus Südamerika, wie Maniok, Süß­kartoffeln und Erdnüsse, gelangten aber dennoch nach Mesoamerika. Welche selektive Barriere mag es gewe­sen sein, die diese Pflanzen passieren ließ, Lamas und Meerschweinchen indes fernhielt?
    Auf noch subtilere Weise finden die geographisch un­terschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten Aus­druck im Phänomen der »präventiven Domestikation«. Das Erbgut der wildwachsenden Pflanzenarten, von de­nen unsere Kulturpflanzen abstammen, variiert gene­tisch von Region zu Region, was daher rührt, daß sich in den Populationen der Ahnenpflanzen in verschiede­nen Gebieten unterschiedliche Mutationen durchsetzten. Ebenso können die Veränderungen, deren es zur Trans­formation von Wildpflanzen zu Kulturpflanzen bedarf, im Prinzip durch unterschiedliche neue Mutationen be­ziehungsweise Auslesevorgänge hervorgerufen werden, die jeweils zum gleichen Ergebnis führen. Vor diesem Hintergrund kann eine in vorgeschichtlicher Zeit weit­verbreitete Kulturpflanze daraufhin untersucht werden, ob alle Varietäten die gleiche wilde beziehungsweise transformative Mutation aufweisen. Zweck der Analy­se ist die Klärung der Frage, ob die betreffende Pflanze in nur einer Region oder unabhängig in mehreren ver­schiedenen Regionen domestiziert wurde.
    Bei Anwendung dieser genetischen Analyse auf die wichtigsten klassischen Kulturpflanzen der Neuen Welt stößt man bei den meisten auf zwei oder mehr unter­schiedliche Wildformen beziehungsweise zwei oder mehr transformative Mutationen. Daraus kann gefolgert wer­den, daß die betreffende Kulturpflanze in mindestens zwei Regionen eigenständig domestiziert wurde und daß einige Varietäten die spezielle Mutation eines bestimm­ten Gebiets, andere dagegen die eines anderen Gebiets in ihrem Erbgut bewahren. Aufgrund solcher Untersuchun­gen gelangten Botaniker zu dem Schluß, daß Limaboh­nen ( Phaseolus lunatus ), Gartenbohnen ( Phaseolus vulga­ris ) und Paprika der Sorten Capsicum annuum/chinense jeweils in mindestens zwei Regionen unabhängig von­einander domestiziert wurden, einmal in Mesoamerika und einmal in Südamerika; und daß der Kürbis Cucur­bita pepo und die Samenpflanze Gänsefuß jeweils min­destens zweimal unabhängig voneinander domestiziert wurden, einmal in Mesoamerika und einmal im Osten der USA. Demgegenüber findet man bei den meisten der klassischen Anbaupflanzen Vorderasiens nur jeweils eine der wilden Varianten beziehungsweise transformativen Mutationen, woraus geschlossen werden kann, daß alle heutigen Varietäten der jeweiligen Pflanze auf einer ein­zigen Domestikation beruhen.
    Welche Konsequenzen hat es aber, wenn ein und die­selbe Anbaupflanze in verschiedenen Teilen ihres natür­lichen Verbreitungsgebiets mehrmals und nicht nur ein einziges Mal in nur einem Gebiet domestiziert wurde? Wie wir bereits sahen, geht es bei der Pflanzendomesti­kation darum, Wildpflanzen so zu verändern, daß ihr Nutzen für den Menschen wächst, beispielsweise durch größere Samen, einen weniger bitteren Geschmack oder andere Eigenschaften. Steht bereits eine produk­tive Pflanze zur Verfügung, werden angehende Acker­bauern sicherlich diese verwenden,

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