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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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statt ganz von vorne anzufangen und einen weniger nützlichen wildwachsen­den Verwandten zu domestizieren. Beweise dafür, daß nur eine Domestikation vorlag, lassen somit den Schluß zu, daß eine neu domestizierte Anbaupflanze rasch in andere Teile ihres Verbreitungsgebiets gelangte und so­mit weitere unabhängige Domestikationen der gleichen Pflanze überflüssig machte. Gibt es jedoch Anzeichen dafür, daß die gleiche wildwach sende Ahnenpflanze in verschiedenen Gebieten eigenständig domestiziert wur­de, können wir daraus schließen, daß sich die betreffen­de Kulturpflanze zu langsam ausbreitete, um einer Do­mestikation an anderen Orten vorzubeugen. Die Indi­zien dafür, daß in Vorderasien in erster Linie Einzel-, in Nord- und Südamerika jedoch wiederholt Mehrfachdo­mestikationen stattfanden, zeigen somit, daß die Aus­breitung von Kulturpflanzen in Vorderasien auf weniger Hindernisse stieß als in Nord- und Südamerika.
    Die rasche Ausbreitung einer Kulturpflanze beugt möglicherweise nicht nur der Domestikation der glei­chen wildwachsenden Ahnenpflanze an anderen Orten vor, sondern auch der Domestikation verwandter Ar­ten. Ein Bauer beispielsweise, der ertragreiche Erbsen anbaut, hat natürlich keinen Grund, bei Null anzufan­gen und die gleiche Ahnenerbse erneut zu domestizie­ren. Genauso sinnlos wäre es, eng verwandte Arten zu domestizieren, wenn sich das Resultat von den bereits domestizierten Erbsensorten kaum unterscheiden wür­de. Sämtliche Gründerpflanzen Vorderasiens kamen im gesamten westlichen Eurasien der Domestikation ihrer engen Verwandten zuvor. Aus der Neuen Welt sind da­gegen zahlreiche Fälle bekannt, in denen eng verwandte, aber doch unterschiedliche Arten in Meso- und Süda­merika domestiziert wurden. So gehören beispielswei­se 95 Prozent der heute weltweit angebauten Baumwolle zu der Sorte Gossypium hirsutum , die in vorgeschichtli­cher Zeit in Mesoamerika domestiziert wurde. Auf den Feldern prähistorischer südamerikanischer Acker bauern wuchs jedoch Baumwolle der verwandten Art Gossypi­um barbadense . Offenbar war es für die Baumwolle aus Mesoamerika so schwer, nach Südamerika zu gelangen, daß sie die Domestikation einer anderen Baumwollsorte dort in vorgeschichtlicher Zeit nicht verhindern konnte (und umgekehrt). Paprikas, Kürbisse und Fuchsschwanz­gewächse sind weitere Beispiele für Anbaupflanzen, bei denen verschiedene verwandte Arten in Meso- und Sü­damerika domestiziert wurden, ohne daß sich eine Art schnell genug ausbreiten und der Domestikation der an­deren zuvorkommen konnte.
    Wir haben es also mit vielen verschiedenen Phäno­menen zu tun, die alle darauf hindeuten, daß sich die Landwirtschaft von Vorderasien aus schneller verbreite­te als innerhalb Nord- und Südamerikas, möglicherwei­se auch schneller als in Afrika südlich der Sahara. Diese Phänomene waren im einzelnen: die Tatsache, daß die Landwirtschaft in eine Reihe von Regionen mit günsti­gen Umweltbedingungen nicht vordrang, Unterschiede in Tempo und Selektivität der Ausbreitung der Landwirt­schaft sowie Unterschiede darin, ob die ältesten dome­stizierten Anbaupflanzen der erneuten Domestikation der gleichen beziehungsweise eng verwandter Arten zu­vorkamen. Woran lag es, daß die Ausbreitung der Land­wirtschaft in Nord- und Südamerika und in Afrika auf viel größere Schwierigkeiten stieß als in Eurasien?
    Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir zunächst die rasche Ausbreitung der Landwirtschaft von ihrem Entstehungsgebiet im Bereich des Fruchtbaren Halb­monds näher untersuchen. Schon bald nach dem Auf­kommen der Landwirtschaft in dieser Region um 8000 v. Chr. wurde eine Welle in Bewegung gesetzt, die sie in immer weiter entfernte Teile des westlichen Eurasien und Nordafrikas trug. Ich habe eine interessante Kar­te (Abbildung 9.2) wiedergegeben, die von dem Gene­tiker Daniel Zohary und der Botanikerin Maria Hopf erstellt wurde, um zu verdeutlichen, wie die Welle um 6500 v. Chr. Griechenland, Zypern und den indischen Subkontinent, kurz nach 6000 v. Chr. Ägypten, bis 5400 v. Chr. Mitteleuropa, bis 5200 v. Chr. Südspanien und um 3500 v. Chr. Großbritannien erreichte. In jeder die­ser Regionen waren an der Entstehung der Landwirt­schaft mehrere der domestizierten Pflanzen und Tie­re beteiligt, die auch in Vorderasien eine maßgebende Rolle gespielt hatten. Auch südwärts bis nach Äthiopi­en drangen vorderasiatische Anbaupflanzen und Haus­tiere vor; der

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