Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
auf Hintern und Titten ab. Gott, tut diese Anrede gut! »Leibhaftig«, antwortete er.
Die Frau war schwarz. Tiefschwarz. In ihrer Familie konnte es unmöglich viel Genmanipulation gegeben haben, erkannte er, obwohl ihn die tiefschwarze Pigmentierung irritierte. Sie war fünfzig Zentimeter kleiner als er, und ihr kurzgeschorener kraushaariger Schopf war mit silbernen Strähnen durchsetzt. Er schätzte sie auf vielleicht sechzig Jahre, und sie schien natürlich zu altern.
»Mein Name ist Dr. Alkad Mzu«, stellte sie sich vor.
»Guten Abend, Doktor.«
»Ich habe gehört, Sie lassen Ihr Schiff überholen?«
»Das ist richtig. Die Lady Macbeth. Der am besten ausgerüstete unabhängige Händler auf dieser Seite des Königreichs von Kulu. Warum? Wollen Sie die Lady Mac chartern?«
»Das wäre möglich.«
Joshuas Herz machte einen Satz. Er warf einen zweiten Blick auf die kleine schwarze Frau. Dr. Alkad Mzu trug einen Overall aus grauem Gewebe mit einem schmalen, hochgeschlagenen Kragen. Sie machte einen sehr ernsten Eindruck.
Ihre Gesichtszüge schienen in einem Ausdruck permanenter Resignation erstarrt. Und tief unten im Hinterkopf verspürte Joshua ein wohlbekanntes warnendes Klingeln.
Du bist übernervös, schalt er sich. Nur weil sie nicht lacht, heißt das noch lange nicht, daß sie eine Bedrohung darstellt. In Tranquility gibt es keine Bedrohungen. Das ist ja das Schöne an diesem Ort.
»Medizin scheint dieser Tage ein einträgliches Geschäft zu sein«, sagte er.
»Mein Doktortitel ist für Physik.«
»Oh, ’tschuldigung. Physik scheint dieser Tage ein einträgliches Geschäft zu sein.«
»Nicht wirklich. Ich bin ein Mitglied der Forschungsgruppe, die sich mit den Laymil-Artefakten beschäftigt.«
»Aha? Dann haben Sie bestimmt schon von mir gehört. Ich bin derjenige, der die elektronischen Speicher entdeckt hat.«
»Ja, das habe ich. Obwohl Speicherkristalle nicht mein Fachgebiet sind. Ich studiere hauptsächlich ihre Fusionsantriebe.«
»Tatsächlich? Darf ich Ihnen vielleicht einen Drink spendieren?«
Alkad Mzu schloß für eine Sekunde die Augen, dann blickte sie sich langsam um. »Ja, tatsächlich. Wir befinden uns in einer Bar. Also schön, wie wäre es mit einem Weißwein? Danke sehr.«
Joshua winkte Helen Vanham und bestellte einen Wein. Und erhielt ein äußerst freundliches Lächeln zur Antwort.
»Und worum genau geht es?« erkundigte er sich.
»Ich muß ein Sternensystem besuchen.«
Definitiv merkwürdig, dachte Joshua. »Das kann die Lady Macbeth am besten. Welches Sternensystem, wenn ich fragen darf?«
»Garissa.«
Joshua runzelte die Stirn. Er hatte immer geglaubt, die Namen der meisten Sternensysteme zu kennen. Ein kurzer Aufruf der kosmologischen Datenbank seiner neuralen Nanonik ließ den letzten Rest seines Humors verfliegen. »Garissa wurde vor mehr als dreißig Jahren aufgegeben!«
Alkad Mzu erhielt ihr schlankes Glas und kostete den Wein. »Es wurde nicht aufgegeben, Captain Calvert, es wurde vernichtet. Die Omutaner haben fünfundneunzig Millionen Menschen abgeschlachtet. Es gelang der Konföderierten Navy, nach dem Planetenbombardement ein paar Überlebende zu retten … ungefähr siebenhunderttausend.« Ihr Blick umwölkte sich. »Nach einem Monat stellten sie die Rettungsaktion wieder ein. Es hatte keinen Sinn mehr. Der radioaktive Fallout hatte in der Zwischenzeit jeden erreicht, der die Tsunamis und Erdbeben und Superstürme überlebt hatte. Siebenhunderttausend von fünfundneunzig Millionen.«
»Tut mir leid. Das wußte ich nicht.«
Sie hatte das Glas noch am Mund, doch ihre Lippen zuckten. »Warum sollten Sie auch? Ein unbedeutender kleiner Planet, der ausgelöscht wurde, bevor Sie auf der Welt waren … wegen einer Politik, die schon damals keinen Sinn ergab. Warum sollte sich irgend jemand daran erinnern?«
Das Barmädchen traf mit einem Tablett neuer Champagnerflaschen ein, und Joshua übertrug die Fuseodollars von seiner Kreditdisk in ihren Rechnungsblock. Ein orientalisch aussehender Mann am anderen Ende der Bar beobachtete ihn und Dr. Mzu unauffällig über den Rand seines Bierkrugs hinweg. Joshua mußte sich dazu zwingen, nicht hinzustarren. Er lächelte Helen Vanham zu und gab ihr ein großzügiges Trinkgeld.
»Dr. Mzu, ich möchte ehrlich zu Ihnen sein. Ich kann Sie zwar nach Garissa bringen, aber unter den gegebenen Umständen steht eine Landung völlig außer Diskussion.«
»Ich verstehe, Captain. Und ich versichere Ihnen aufrichtig, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher