Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Kleidungsstück.
Parker Higgens starrte verständnislos auf die Serjeants, dann wieder auf die junge Frau. Sie war in ein äußerst kostspieliges blaßblaues Kostüm gekleidet, und ihre tiefblauen Augen erweckten den entnervenden Eindruck von Tiefe. Ihre Nase … Parker Higgens mochte vielleicht ein Bürokrat sein, aber er war gewiß nicht dumm. »Sie?« flüsterte er ungläubig.
Ione schenkte ihm ein schwaches Lächeln und erhob sich. Sie streckte die Hand aus. »Ja, Herr Direktor. Leibhaftig, fürchte ich. Ione Saldana.«
Er schüttelte schwach ihre Hand; sie war sehr klein in der seinen und fühlte sich sehr kühl an. Sie hatte einen Siegelring am Finger: einen roten Rubin, in den das Wappen der Saldanas eingraviert war, der gekrönte Phönix. Es war der Ring des Kronprinzen von Kulu. Michael Saldana hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Ring dem Schatzmeister der Kronjuwelen zurückzugeben, als man ihn nach Tranquility ins Exil geschickt hatte. Das letzte Mal, als Parker Higgens den Ring gesehen hatte, hatte er noch an Maurice Saldanas Finger gesteckt.
»Ich fühle mich geehrt, Ma’am«, sagte Parker. Fast wäre ihm Sie sind ja noch ein Kind! herausgerutscht. »Ich kannte Ihren Vater. Er war ein inspirierender Mann.«
»Ich danke Ihnen.« Auf Iones Gesicht war nicht die kleinste Spur von Humor zu erkennen. »Ich sehe, daß Sie sehr beschäftigt sind, Direktor, doch ich würde heute morgen gerne die wichtigsten Anlagen des Forschungsprojekts besichtigen. Darüber hinaus möchte ich die Stäbe der Abteilungen bitten, mir in zwei Tagen eine Zusammenfassung ihrer bisherigen Ergebnisse zu präsentieren. Ich habe zwar versucht, über unsere Entdeckungen auf dem laufenden zu bleiben, doch es ist immer noch ein gewaltiger Unterschied, ob ich aus der Ferne mit Hilfe von Tranquilitys Sensoren zusehen kann oder ob mir eine lebende Person Erklärungen liefert.«
Parker Higgens’ gesamtes Universum geriet ins Schwanken. Eine Revision, und ob es ihm paßte oder nicht, diese halbe Portion vor ihm hielt die Schnüre des Geldbeutels in den Händen. Die Lebensader des gesamten Laymil-Projekts. Was, wenn … »Selbstverständlich, Ma’am. Ich werde die Führung persönlich übernehmen.«
Ione kam um den Schreibtisch herum.
»Ma’am? Dürfte ich erfahren, welche Politik Sie in bezug auf das Forschungsprojekt einnehmen? Der vorherige Lord Ruin war sehr …«
»Entspannen Sie sich, lieber Direktor Higgens! Meine Vorfahren hatten ohne Zweifel recht: Die Enträtselung des Laymil-Geheimnisses sollte mit allerhöchster Priorität vorangetrieben werden.«
Die Aussicht auf drohendes Unheil entschwand aus Higgens’ Blickfeld wie abziehende Gewitterwolken, hinter denen die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Also war alles in Ordnung. Fast jedenfalls. Eine Frau! Die Saldana-Thronfolger waren bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich männlich gewesen! »Jawohl, Ma’am.«
Die Serjeants gruppierten sich zu einer Eskorte rings um Ione. »Kommen Sie«, sagte sie und rauschte aus Higgens’ Büro.
Parker Higgens’ Beine bewegten sich mit ganz ungewohnt würdeloser Geschwindigkeit, um zu ihr aufzuschließen. Er wünschte, seine Leute würden seinen Wünschen so bereitwillig Genüge tun.
Es gibt einen Lord Ruin, und es ist eine Lady!
Die Nachricht verließ das Gelände der Forschungsgruppe siebenunddreißig Sekunden, nachdem Ione und Parker Higgens den Laborblock betraten, in dem die genetische Abteilung des Laymil-Projekts untergebracht war. Jeder Mitarbeiter der Forschungsgruppe war mit einer neuralen Nanonik ausgestattet. Sobald der erste schuldbewußte Schock über den Anblick des Direktors verklungen war, der unangemeldet zehn Minuten nach Dienstbeginn in Begleitung von fünf Serjeants in die Abteilungen gestürmt kam und die junge Frau vorstellte, öffneten Professoren und Assistenten ohne Unterschied ihre Kanäle in das Kommunikationsnetz des Habitats. Nahezu jede Datavis-Sendung begann mit: Du wirst es nicht glauben, aber …
Man zeigte Ione AV-Projektionen von Laymil-Pflanzengenen, versiegelte Saatkisten mit keimenden Samen, die ihre Triebe durch die Oberfläche schoben, große, farnähnliche Pflanzen mit purpurnen Wedeln, die in Kübeln wuchsen, und man reichte ihr kleine verschrumpelte schwarze Früchte zum Kosten.
Nachdem Freunde, Verwandte und Kollegen über die Neuigkeiten informiert worden waren, dauerte es weitere fünfzehn Sekunden, bevor irgend jemand daran dachte, die Büros der Nachrichtenagenturen zu
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