Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
die Hand schüttelten.
Syrinx spürte, wie sie errötete. – Aber was stimmt nicht mit ihm?
– Nichts. Sie erlauben eben keine geklonten Organe auf diesem Planeten.
– Das ist doch absurd! Dadurch ist er gezwungen, als Krüppel durchs Leben zu gehen. Das würde ich nicht meinem ärgsten Feind wünschen!
– Genau wegen der medizinischen Technologie gibt es auf Norfolk die größten Auseinandersetzungen, was man erlauben sollte und was nicht. Das Klonen von Körperteilen ist schließlich ein ziemlich fortgeschrittenes Verfahren.
Syrinx erholte sich rasch wieder und reichte Kenneth Kavanagh die Hand. Sie sagten Hallo, und Kavanagh stellte den anderen Mann als »Mein Cousin Gideon« vor.
Syrinx schüttelte Gideon die Hand, doch sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Der junge Mann war von einer so starken Aura der Niedergeschlagenheit und des Unglücks umgeben, daß sie fürchtete, von ihm mit in das Loch gerissen zu werden, wo auch immer er sich befand.
»Gideon ist mein Gehilfe«, erklärte Kenneth Kavanagh. »Er lernt das Geschäft von der Pike auf.«
»Das ist am besten so«, sagte Gideon mit leiser Stimme. »Schließlich bin ich kaum dazu imstande, das Gut der Familie zu leiten. Das erfordert nämlich jede Menge körperlichen Einsatz.«
»Wie ist das geschehen?« fragte Ruben.
»Ich bin vom Pferd gefallen. Pech, weiter nichts, wirklich. Das Fallen gehört zum Reiten dazu. Ich bin unglücklich gelandet und habe mir einen Zaunpfahl durch die Schulter gerammt.«
Syrinx betrachtete ihn mitleidig, doch sie schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Die Oenone war in ihrem Bewußtsein, und ihre Gegenwart allein war eine gewaltige Stütze. Kenneth Kavanagh deutete auf die Sessel vor seinem Schreibtisch aus hellem Holz. »Eine Freude, Sie hier bei uns zu begrüßen, Captain«, sagte er.
»Ich denke, genau die gleichen Worte haben in der letzten Woche bereits einige Captains zu hören bekommen«, erwiderte Syrinx mit schiefem Grinsen, während sie sich setzte.
»Da haben sie recht«, gestand Kenneth Kavanagh. »Aber ein Kommandant, der zum ersten Mal nach Norfolk kommt, ist uns immer besonders willkommen. Einige meiner Kollegen im Exportgeschäft tragen die Nase ein wenig zu hoch. Sie denken, es wird bis in alle Ewigkeit eine Nachfrage nach Norfolk Tears geben. Ich hingegen halte eine gewisse menschliche Wärme nicht für verfehlt, insbesondere, da unsere gesamte Wirtschaft von einem einzigen Produkt abhängig ist. Ich hasse die Vorstellung, daß irgend jemand so entmutigt werden könnte, daß er im nächsten Jahr nicht mehr nach Norfolk zurückkehrt.«
»Habe ich denn Grund dazu, entmutigt zu sein?«
Kenneth Kavanagh breitete die Hände aus. »Wir finden immer noch die eine oder andere Kiste. Wie hoch genau ist die Ladekapazität Ihres Schiffes?«
»Die Oenone kann problemlos siebenhundert Tonnen transportieren.«
»Dann fürchte ich, daß eine gewisse Enttäuschung unausweichlich ist.«
»Der alte Dominic hat immer ein paar Kisten für seine besten Geschäftspartner zurückgehalten«, meldete sich Ruben zu Wort. »Und wir werden Ihnen beweisen, daß wir die Besten sind.«
»Sie kannten Dominic Kavanagh?« fragte Kenneth Kavanagh mit plötzlichem Interesse.
»Selbstverständlich. Ihren Vater.«
»Falsch. Meinen verstorbenen Großvater.«
Ruben sank in seinem Sessel zusammen. »Er war ein richtig schlauer alter Halunke.«
»Da haben Sie recht. Sein Wissen und seine Erfahrung fehlen uns allen schmerzlich.«
»Ist er eines natürlichen Todes gestorben?«
»Jawohl. Vor fünfundzwanzig Jahren.«
»Fünf … und … zwanzig …« Ruben schien mit einem Mal in Tagträumen versunken.
– Tut mir leid, sagte Syrinx zu ihm.
– Fünfundzwanzig Jahre! Das heißt, es ist mindestens fünfunddreißig Jahre her, daß ich hiergewesen bin, wahrscheinlich sogar noch länger. Verdammter Mist! Alter schützt eben doch nicht vor Torheit.
»Sie erwähnten ein Geschäft«, brachte Kenneth Kavanagh sich in Erinnerung.
Syrinx tätschelte die Kühlbox, die neben ihrem Sessel auf dem Boden stand. »Das Beste, was Atlantis zu bieten hat.«
»Ah, eine kluge Wahl. Delikatessen von Atlantis lassen sich immer verkaufen; die Hälfte wird ohnehin meine eigene Familie essen. Besitzen Sie ein Frachtverzeichnis?«
Syrinx reichte ihm einen Ausdruck auf Papier. Es gab keinen Prozessorblock im Büro, obwohl sie eine Tastatur und ein kleines Display sehen konnte.
Kenneth ging die Liste durch, und seine Augenbrauen hoben
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