Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
über dem Fluß und dem Dschungel.
»Wo ist das Boot?« fragte Lori und schirmte mit der Hand die Augen ab, um sich vor dem peitschenden Regen zu schützen.
»Dort.« Len Buchannan löste eine Hand vom Ruder und zeigte nach vorn.
Es war einer der großen Schaufelraddampfer, die Kolonisten den Fluß hinauf brachten. Er kam majestätisch durch das Wasser auf sie zu, ohne zu schwanken wie die Coogan. Die große Masse hielt das Bug und Heck in der Waage, während das Schiff durch die Wellen glitt. Der Rauch aus den beiden Schornsteinen hing fast waagerecht in der Luft.
»Das ist wirklich gefährlich, so zu rasen!« sagte Len Buchannan. »Ganz besonders in dieser Gegend hier. Jede Menge Foltwine im Wasser; wenn sich dieses Zeug in den Schaufeln verfängt, nehmen die Lager einigen Schaden. Außerdem fängt jetzt die Jahreszeit an, wo die Schneelilien wuchern; die sind mindestens genauso schlimm wie Foltwine, wenn ein größeres ineinander verschlungenes Feld auf dem Wasser treibt.«
Lori bedeutete ihm mit einem knappen Nicken, daß sie verstanden hatte. Len hatte ihnen die dünnen, grasähnlichen Blätter gezeigt, die sich im flachen Wasser an den Ufern vermehrten, und die faustgroßen Schoten, die sich gerade erst unter der Wasseroberfläche zu zeigen anfingen. Schneelilien blühten zweimal im Lalonde-Jahr. Sie sahen wunderschön aus, aber sie verursachten immer wieder Unfälle mit den Schiffen.
Len Buchannan hatte sich um einiges geöffnet, seit sie aufgebrochen waren. Ihm gefiel der Gedanke zwar immer noch nicht, daß Lori und Darcy sein kostbares Boot steuerten, aber er hatte mißmutig zugeben müssen, daß sie ihre Sache fast genausogut machten wie er selbst. Außerdem schien er die Tatsache zu genießen, daß er jemand anderen hatte außer seiner Frau, mit dem er reden konnte; Len und Gail hatten keine zehn Worte miteinander gewechselt, seit sie in Durringham abgelegt hatten. Seine Unterhaltungen drehten sich meistens um Themen, die mit dem Fluß zu tun hatten und um die Art und Weise, wie sich Lalonde entwickelte. Er war nicht an der Konföderation interessiert. Ein Teil von Lens Informationen war nützlich für Lori, als sie das Ruder übernahm. Er schien überrascht, wie gut sie sich an jede Einzelheit erinnerte. Er blickte nur ein einziges Mal wirklich düster drein, als sie ihm nämlich ihr Alter verriet. Er hielt es zuerst für einen schlechten Scherz – Lori sah nur halb so alt aus wie Len.
Die drei im Ruderhaus beobachteten, wie der Schaufelraddampfer vorüberglitt. Len kurbelte am Lenkrad und wich in weitem Bogen aus. Darcy schaltete seine Retinaimplantate auf maximale Vergrößerung und starrte auf das entgegenkommende Schiff. Auf dem Vorderdeck bewegten sich ungefähr fünfunddreißig Leute, allesamt Farmertypen: die Männer mit dicken Bärten, die Frauen mit in der Sonne gealterten Gesichtern. Sie trugen Kleidung, die aus einheimischen Stoffen hergestellt war. Und sie schenkten der Coogan keinerlei Beachtung, sondern richteten ihre Aufmerksamkeit anscheinend auf den Flußabschnitt, der sich vor ihnen erstreckte.
Len schüttelte den Kopf und blickte verwirrt drein. »Da stimmt was nicht. Die Broadmoor müßte eigentlich mit einem Konvoi unterwegs sein. Drei oder mehr Schiffe. Diese Schaufelraddampfer fahren nie allein. Außerdem hat der Captain sich nicht über Funk gemeldet.« Er klopfte auf den Kurzwellensender, der vorn im Ruderhaus neben dem Massedetektor saß. »Hier draußen reden die Leute miteinander. Es gibt nicht soviel Verkehr, daß man sich einfach ignoriert.«
»Und das waren auch keine Kolonisten an Deck«, sagte Darcy.
Die Coogan schaukelte bedenklich, als der erste große Wellenberg vom Bug des anderen Schiffes heran war.
»Nein. Kolonisten fahren den Fluß nicht runter, sondern rauf.«
»Vielleicht Flüchtlinge?« schlug Lori vor.
»Möglich«, erwiderte Darcy. »Aber wenn es dort oben so schlimm steht, warum war das Schiff dann nicht voller?« Er spielte die Erinnerung des fremden Paddelboots noch einmal ab. Es war jetzt das dritte, dem sie in den letzten zwanzig Stunden begegnet waren; die beiden anderen hatten sie in der Dunkelheit passiert. Das Verhalten der Menschen an Deck machte ihm Sorgen. Sie standen einfach nur da, ohne zu reden, ohne sich in Gruppen zusammenzudrängen, wie das Menschen normalerweise taten, um Gesellschaft zu suchen. Nicht einmal der Regen schien ihnen etwas auszumachen.
– Denkst du das gleiche wie ich? fragte Lori. Sie rief ein Bild von den
Weitere Kostenlose Bücher